Porträt Mariano Rajoy: Spaniens Regierungschef wird immer unbeliebter
Die Demonstranten vor dem Angeordnetenhaus lassen im keine Ruhe und auch die europäischen Partner sind unzufrieden: Mariano Rajoys Schlingerkurs kommt nicht gut an.
Der Mann kommt ohnehin gern durch den Hintereingang ins spanische Parlament. In diesen Tagen gibt es für Spaniens konservativen Regierungschef Mariano Rajoy (57) aber auch keinen anderen Weg: Das Abgeordnetenhaus im Zentrum der Hauptstadt Madrid wird von wütenden Demonstranten belagert. Als „Angriff“ sehen die Protestierenden jenes Kürzungs- und Steuerpaket, das die Staatskasse um 65 Milliarden Euro entlasten und Spanien vor der Pleite bewahren soll. Steuern rauf, Lohnkürzungen für Staatsdiener, harte Einschnitte im Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Sektor, auch beim Arbeitslosengeld: Damit hat Rajoy große Teile der Nation gegen sich aufgebracht, nun drohen mitten in der Touristenhochsaison Protest- und Streikwellen. Rajoy hatte den Beschluss unter größter Geheimhaltung gefällt. Und das Sparpaket dann im Parlament mit den Worten präsentiert: „Wir wissen, was zu tun ist.“
Schweigsam, verschlossen, einsam: Spaniens Regierungschef gilt nicht nur in Brüssel als schwierig und undurchschaubar. Auch seine engsten Mitarbeiter klagen, dass sie nicht durchweg auf dem Laufenden sind. Überraschende Ankündigungen des Chefs müssten zuweilen mit Improvisation als gereifte Entscheidungen verkauft werden. „Dann müssen wir aus Wasser Wein machen“, kommentierte ein Vertrauter.
Aus Rajoys Gesicht, hinter einem grauen Vollbart und einer Brille versteckt, lässt sich wenig herauslesen. Nach seiner Wahl zum Regierungschef Ende 2011 verwirrte er seine europäischen Kollegen mit der Ankündigung, Spanien wolle nicht mehr das mit der Europäischen Union für 2012 vereinbarte Defizitziel von 4,4 Prozent erfüllen – weil Spanien eine „souveräne Nation“ sei. Zwar gelten die spanischen Defizitziele inzwischen auch eher als Wunschdenken. Aber der unschöne Vorfall schwächte in Brüssel das Vertrauen in Rajoy.
Immer wieder verschleppte Rajoy dringend notwendige Reformen und Sparpläne. Sperrte sich mit Händen und Füßen, bevor er doch nachgeben musste. Tauchte tagelang ohne öffentliche Erklärungen ab, um der Nation dann einen Kurswechsel anzukündigen. Improvisiert wirkt auch Rajoys Umgang mit der Bankenkrise. „Die spanischen Banken müssen nicht gerettet werden“, behauptete er zunächst eisern. Um dann über Nacht mitzuteilen, dass die Lage „kritisch“ und mit der EU ein Notkredit von 100 Milliarden Euro vereinbart worden sei.
Rajoys Popularität bekommt dieser Schleuderkurs nicht: Im November 2011 hatte er mit 45 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit errungen und den Sozialisten Jose Luis Zapatero von der Macht verdrängt. Diese Unterstützung schmilzt dahin. Drei von vier Spaniern haben laut dem staatlichen Umfrageinstitut CIS nur noch „wenig oder gar kein Vertrauen“ in ihren Regierungschef. Ralph Schulze