Trotz Bedenken der Impfkommission: Spahn setzt sich weiter für Corona-Impfung von Kindern ein
Die Stiko wird eine Impfung von Kindern und Jugendlichen nicht empfehlen. Gesundheitsminister Spahn setzt daher auf individuelle Entscheidungen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn setzt weiterhin auf Corona-Schutzimpfungen für ältere Kinder und Jugendliche, auch wenn die Ständige Impfkommission (Stiko) dafür keine allgemeine Empfehlung aussprechen sollte.
Die Stiko gebe eine Empfehlung, sagte der CDU-Politiker in der Sendung „Frühstart“ bei RTL/ntv. „Im Lichte dieser Empfehlung können dann die Eltern mit ihren Kindern, den Ärztinnen und Ärzten die konkreten Entscheidungen treffen, ob jemand geimpft wird oder nicht.“ Dies sei eine individuelle Entscheidung.
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Der Hersteller Biontech/Pfizer hat eine Zulassung seines Präparats ab zwölf Jahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) beantragt. Mit einer Entscheidung wird noch bis Ende Mai gerechnet. Bei dem Briefing werde das Ergebnis der außerordentlichen Sitzung des EMA-Ausschusses für Humanmedizin erläutert, teilte die Behörde am Mittwoch in Amsterdam mit.
Ursprünglich war die Zulassungsentscheidung für Juni erwartet worden, das Verfahren wurde jedoch beschleunigt, wie EMA-Chefin Emer Cooke Mitte Mai mitteilte.
Sollte das Vakzin Comirnaty für Zwölf- bis 15-Jährige grünes Licht bekommen, wäre es der erste Corona-Impfstoff für Kinder mit EU-Zulassung. Bislang darf der Biontech/Pfizer-Impfstoff ab einem Alter von 16 Jahren verabreicht werden. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte ihre Notfall-Zulassung für Comirnaty am 10. Mai auf Zwölf- bis 15-Jährige ausgeweitet.
Gibt die Stiko eine allgemeine Impf-Empfehlung für alle Kinder?
Die Stiko behält sich aber eigene Klärungen für eine mögliche Impfempfehlung vor. Ihr Mitglied Rüdiger von Kries erwartet derzeit nicht, dass es eine allgemeine Impf-Empfehlung für alle Kinder geben wird.
Spahn sagte: „Der Impfstoff wäre dann, wenn die Europäische Arzneimittelagentur das macht, ein zugelassener Impfstoff auch für diese Altersgruppe.“ Schon vor Beginn der Sommerferien solle den ersten Kinder und Jugendlichen dann ein Impfangebot gemacht werden, erklärte er. „Wenn die Zulassung da ist, werden wir dann nach und nach – nicht allen auf einmal – Kindern und Jugendlichen über zwölf Jahren ein Angebot machen, sich impfen zu lassen.“
[Mehr zum Thema: Das spricht für die Kinder-Impfung – und das dagegen (T+)].
Eine Impfung als Voraussetzung zur Teilnahme am Präsenzunterricht lehnte der Gesundheitsminister jedoch ab: „Ich sehe nicht, dass wir eine verpflichtende Impfung haben werden für den Schulbesuch.“
Im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels am Donnerstag hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bekräftigt, die Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche in den kommenden Wochen besonders in den Blick nehmen zu wollen. „Unsere Aufgabe ist es, dass es keine verlorene Generation gibt“, sagte Laschet am Mittwoch beim Besuch eines Impfzentrums in Düsseldorf. Für die Bildung und Gesundheit von Schülern brauche es „die beste Lösung“.
Laschet: Nordrhein-Westfalen werde sich an Stiko-Empfehlung halten
Die Impfkampagne werde nur so lange gut weiterlaufen, wie für Nachschub gesorgt werde, mahnte Laschet. „Deswegen muss der Bund alles daran setzen, dass es im Sommer keine Ausfälle oder Dellen bei den Lieferungen gibt“, sagte der CDU-Vorsitzende. Das Ziel, allen bis zum Sommer ein Impfangebot gemacht zu haben, müsse eingehalten werden.
Bezüglich der Corona-Impfungen von Kindern und Jugendlichen kündigte Laschet an, dass sich Nordrhein-Westfalen an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) halten werde. Ob und wann Schülern ein Impfangebot gemacht werden könne, sei allerdings eine fachliche Frage, über welche die Gesundheitsminister und Chefs der Staatskanzleien beraten würden.
Ob zuerst die Schüler der Länder geimpft werden sollten, in denen die Sommerferien am frühsten beginnen, werde noch „kontrovers“ unter den Bundesländern erörtert, sagte Laschet. Eine Einigung gebe es derzeit noch nicht.
In Deutschland sorgt eine mögliche Corona-Schutzimpfung für Kinder und Jugendliche für Kontroversen. Hauptargument ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Betroffenen. Es gebe das Risiko von Nebenwirkungen, ohne dass klar sei, in welchem Ausmaß die Kinder selbst von der Impfung profitierten. Das Ziel einer Herdenimmunität solle hingegen durch die Impfung von Erwachsenen erreicht werden.
Einen Tag vor dem Impfgipfel plädiert auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) dafür, wegen offener medizinischer Fragen im Umgang mit Corona-Impfungen von Kindern und Jugendlichen auf eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu warten.
„Die wissenschaftlichen Fragen sind noch nicht schlüssig beantwortet, ob Kinder überhaupt geimpft werden sollen – und wenn, mit welchem Impfstoff – und ob Kinder mit Risikofaktoren vorgezogen werden. Ich jedenfalls werde den Rat der Stiko abwarten“, sagt Ramelow den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Dass Kinder nur mit Impfung am Präsenzunterricht teilnehmen können, schließt Ramelow dem Vorabbericht zufolge aus. „Impfen lassen müssen – das geht gar nicht. Und noch eins ist klar: Wenn Kinder geimpft werden, muss immer ein Erziehungsberechtigter dabei sein.“
Weltärztebund-Präsident Frank Ulrich Montgomery hat sich zudem gegen eine Empfehlung für eine Corona-Impfung von Kindern zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. „Gegenwärtig gibt es noch zu wenig Daten, die Aussagen über das Risiko der Corona-Impfung bei Kindern zulassen“, sagte Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Klar sei aber, dass der Krankheitsverlauf bei Kindern deutlich geringer und weniger gefährlich sei als bei Erwachsenen oder Betagten. Deswegen habe die Stiko Recht, wenn sie angesichts dieser beiden Fakten bisher keine Impfung bei Kindern empfehle, sagte Montgomery.
Letztlich könnte die Studienlage auch ergeben, dass das Risiko einer Impfung von Kindern größer sei als das einer Erkrankung in dieser Altersgruppe. „Dann wird man sogar von der Impfung abraten müssen.“ Im Gegenzug müsse der Impfschutz in allen anderen Altersgruppen verbessert werden. (dpa, Reuters, AFP)
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