Händler sitzen auf Schuldenbergen: Spahn droht Klagewelle wegen unbezahlter Masken
Scharfe Kritik am CDU-Gesundheitsminister: Erst wurden 200 Millionen Masken zu überteuerten Preisen bestellt – nun will der Bund nicht bezahlen.
Erst gab es nicht genug – und jetzt will der Bund überschüssige Masken nicht bezahlen: Zahlreiche Beschaffer von Schutzausrüstung aus China drohen wegen unbezahlter Lieferungen mit Klagen gegen das Bundesgesundheitsministerium von Minister Jens Spahn (CDU).
Demnach stehen noch fast 600 Millionen Euro an Zahlungen aus, wurde ein Bericht des „Spiegel“ in Regierungskreisen bestätigt. An 738 Lieferanten wurden Zuschläge erteilt, um unter anderem 198 Millionen FFP2-Masken und 64 Millionen OP-Masken einzukaufen.
Wie der Tagesspiegel von beteiligten Händlern erfuhr, bereiten Anwälte Klagen und Mahnbescheide gegen Spahns Ministerium vor. Als die Corona-Pandemie Deutschland erreichte, konnten Industrie, Bund und Länder den Maskenbedarf zunächst nicht decken.
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Da auch andere europäische Staaten und die USA dringend Nachschub brauchten, kam es zu abenteuerlichen Geschäften in China in einem völlig überhitzten Markt.
Händler kritisieren jetzt, das Ministerium ignoriere Anfragen, ebenso wie die mit der Abwicklung beauftragten Unternehmen Fiege Logistik und die Unternehmensberatung Ernst & Young.
Das Ministerium verteidigt sich
Insgesamt waren 1,2 Milliarden Euro zur Beschaffung von Schutzausrüstung bewilligt worden, von denen bis jetzt rund 400 Millionen Euro ausgezahlt sind. Um die Engpässe zu beheben, hatte man die Beschaffung über ein sogenanntes Open-House-Verfahren organisiert, das das Ministerium über die Generalzolldirektion Ende März online stellte und mit dem es 4,50 Euro für FFP-2-Masken und 60 Cent für OP-Masken bot.
Von Seiten des Bundes wird argumentiert, viele der beauftragten Händler hätten am Ende nicht liefern können und es sei auch viel Schrott dabei gewesen. Ein Händler, dem das Ministerium noch Dutzende Millionen Euro schuldet, spricht von einer Art Goldmine, die das Verfahren der Bundesregierung geschaffen habe.
Denn in der Regel waren auch in der Corona-Hochphase FFP2-Masken für 1,50 Euro das Stück zu bekommen – inklusive Transport und Logistik waren es 1,90 Euro, sodass eine Gewinnmarge von mindestens 2,60 Euro je Maske blieb; also Millionengewinne bei jeder Lieferung.
Nun würde es von den vom Bund beauftragten Unternehmen immer wieder Rückmeldungen geben, die Ware sei fehlerhaft und werde daher nicht angenommen. Die Händler behaupten, dass diese Lieferungen zuvor aber von deutschen Prüfstellen für korrekt und fehlerlos befunden wurden.
Die Opposition im Bundestag fordert Aufklärung von Spahn . FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte dem Tagesspiegel, zum einen hätte eine bessere Vorsorge mit Schutzmasken zu Beginn der Krise die Dauer und das Ausmaß des Shutdowns in Deutschland deutlich verringern können: „Und durch die späte Reaktion sind die Preise gestiegen, hierin kann man einen Schaden für den Steuerzahler sehen.“
Offenbar seien konzeptlos Zwischenhändler eingeschaltet worden. Wenn diese nun nicht bezahlt würden, führe das erneut zu einem schweren Vertrauensschaden. Die Grünen-Politikerinnen Kordula Schulz-Asche und Maria Klein-Schmeink betonten, die Händler seien ins Risiko gegangen, man dürfe sie nicht im Regen stehen lassen: „Jens Spahn ist daher in der Verantwortung, für eine zügige Begleichung der Rechnungen zu sorgen, wenn die Unternehmen die geforderte Qualität geliefert haben.“
Sonst würden es sich Unternehmen künftig zweimal überlegen, ob sie sich engagieren. „Das kann bei einem Wiederansteigen der Infektionszahlen und einem dann steigenden Bedarf an Masken und anderer Schutzausrüstung gefährlich für die Beschäftigten im Gesundheitswesen und für die Bevölkerung werden“, schreiben die Grünen.
Aufstockung der Lagerbestände
Der Linken-Gesundheitsexperte Achim Kessler fordert eine dauerhafte „Aufstockung der Lagerbestände von Schutzausrüstung“.
Das Bundeskabinett beschloss am Freitag zur Abfederung der Wirtschaftskrise das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Es enthält einen Kinderbonus von 300 Euro, eine Mehrwertsteuersenkung ab Juli, höhere E-Auto-Prämien und weitere Milliardenhilfen für besonders betroffene Branchen.
Die IG Metall fordert notfalls Verhandlungen über ein weiteres Milliardenpaket: „Im Moment haben wir eine heftige Weltwirtschaftskrise, wie wir sie noch nie erlebt haben“, sagte IG-Metall- Chef Jörg Hofmann dem Tagesspiegel. Gerade bei den Zulieferern in der Automobilindustrie sei die Insolvenzgefahr stark gestiegen: „Unsere jüngste Umfrage zeigt: Über 80 000 Beschäftigte in 270 Betrieben sind in hoher oder akuter Insolvenzgefahr“, sagte Hofmann.
Auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Autoindustrie, befürchtet eine Verschärfung der Wirtschaftskrise, wenn die Konjunkturprogramme nicht greifen: „Ich sorge mich um die Arbeitsplätze“, sagte sie dem Tagesspiegel.
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