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Nach außen rechts, nach innen links. Dänemarks Sozialdemokraten setzen auf strikte Einwanderungspolitik und Grenzkontrollen, wie hier in Harrislee.
© picture alliance / Benjamin Nolt

Parlamentswahlen in Dänemark: Sozialdemokraten, die mit rechten Themen erfolgreich sind

Rechte Einwanderungspolitik, linke Sozialpolitik: Die dänischen Sozialdemokraten gehen mit einem unbehaglichen Themenmix als Favorit in die Parlamentswahlen.

Am Ende stimmen die Wähler doch immer für das Original – das ist schon fast ein Kalenderspruch in Wahlanalysen. Was aber, wenn politische Parteien es Pharmakonzernen und Discounterketten gleichmachen und mit guten Produktkopien Gewinne einfahren? In Dänemark scheint diese Generika-Strategie aktuell aufzugehen. Die dänischen Sozialdemokraten stehen in den Umfragen vor der Wahl zum Folketing, dem dänischen Parlament, am Mittwoch bei 26,1 Prozent, während sich der bürgerliche Block, einschließlich der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF), auf bittere Verluste einstellen muss.

Der Grund: Seit vier Jahren proklamieren die Sozialdemokraten unter Spitzenkandidatin Mette Frederiksen eine Hardliner-Einwanderungspolitik, bei der Angela Merkel erbleichen und Horst Seehofer jubeln würde. Die einstige Arbeiterpartei teilt aber nicht nur in den Fußgängerzonen Rosen aus, sondern verspricht den Wählern eine blühende Sozialpolitik, für die das nordische Land ursprünglich bekannt war.

Nach außen rechts, nach innen links – mit diesem Haltungsmix gelingt den dänischen Sozialdemokraten, wovon die deutschen Parteigenossen nur träumen können: Sie melden sich als große Blockpartei zurück, können Koalitionsangebote der aktuellen Regierungspartei Venstre ausschlagen und ziehen dem dänischen AfD-Pendant DF die Wähler ab. „Da findet ein richtig spannender Wahlkampf statt“, sagt Politikwissenschaftler Henrik Bech Seeberg von der Universität Aarhus. „Zum ersten Mal ist die Ausländerpolitik kein Verliererthema mehr für die Sozialdemokraten.“

Wähler wandern von Rechtspopulisten zu Sozialdemokraten

Dass eine harte Einwanderungspolitik Stimmen bringt, beweist seit 21 Jahren die Dänische Volkspartei. 1998 zog die nationalkonservative Partei zum ersten Mal in den Folketing ein, bei der vergangenen Wahl erreichte sie 21,1 Prozent und beeinflusst die aktuelle Koalition aus liberaler Venstre, wirtschaftsnaher Liberal Alliance und der konservativen Volkspartei durch ihre Billigung bei Abstimmungen. „Die dänische Volkspartei hatte 2015 außergewöhnlich gute Wahlen“, sagt Bech Seeberg. „Aber viele dieser Wähler sind Wechselwähler, die jetzt wieder Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen oder eben die Sozialdemokraten wählen.“

Spitzenkandidatin Mette Frederiksen ging im Wahlkampf sogar so weit, zu versprechen, dass sie lieber auf das Amt der Regierungschefin verzichten würde, als ihre Einwanderungspolitik aufzuweichen. Damit gelingt es ihr sogar, die Rechtspopulisten von „Die neuen Bürgerlichen“ und die rechtsextreme Partei „Strammer Kurs“ in Schach zu halten. Deren streitbarer Vorsitzenden Rasmus Paludan hatte im Vorfeld für Unruhe im politisch beschaulichen Dänemark gesorgt: Bei seinen zahlreichen Demonstrationen mussten Polizeiaufgebote ihn vor Gegendemonstranten schützen, in Talkshows fiel er durch Beleidigungen auf. Aktuell steht seine Partei aber nur knapp unter der Zwei-Prozent-Hürde.

Will den Staatsministerposten: die sozialdemokratische Kandidatin Mette Frederiksen.
Will den Staatsministerposten: die sozialdemokratische Kandidatin Mette Frederiksen.
© Olivier Hoslet/p-a/dpa

Mette Frederiksens Stimmenfang bei den Rechten könnte für sie allerdings zum Problem werden: Insgesamt 13 Parteien treten bei dieser Wahl an, elf werden es wohl ins Parlament schaffen. Die anderen linken Parteien sind gegen Frederiksens harte Politik, die Grenzkontrollen fortführen, Asylbewerber ausweisen und Leistungen wie Sprachkurse und Übersetzer begrenzen will. Gleichzeitig gewinnen sowohl die Sozialistische Volkspartei, die sozialistisch-grüne Einheitsliste und die Radikale Linke in den Meinungsumfragen dazu – ohne sie wird Frederiksen nur schwer regieren können.

Die in Dänemark bisher unerhörte Idee einer großen Koalition mit Løkke, die er in einem zur Wahl erschienenen Buch vorschlug, lehnte sie rundheraus ab. Da bleibt fast nur noch die Dänische Volkspartei als Koalitionspartner oder zumindest als passive Unterstützung. Deren Vorsitzender Kristian Thulesen Dahl allerdings stellte per Videobotschaft klar, dass seine Partei aufgrund der dramatisch dezimierten Mandate wohl dafür nicht infrage käme. Damit steht Frederiksen ziemlich alleine da.

Tatsächlich ist neben der Einwanderungs- und Ausländerpolitik nur ein anderes Thema wirklich relevant: die Sozialpolitik. Und auch hier sind die Sozialdemokraten auf Gewinnerkurs. Während es ihnen gelingt, den Bürgerlichen den harten Einwanderungskurs abzukupfern, scheitert Ministerpräsident Løkke Rasmussen aktuell beim umgekehrten Versuch: Sein Versprechen, die Sozialausgaben von 20 auf 69 Millionen Kronen im Jahr anzuheben, überzeugt niemanden so recht. In den vergangenen Jahren hatte die Løkke-Regierung den öffentlichen Sektor mit einem Sparziel von zwei Prozent jährlich belegt. „Jetzt tritt Løkke an die Öffentlichkeit und sagt, wir sollen mehr Geld in die Hand nehmen – das ist nicht glaubwürdig“, sagt Bech Seeberg. Kritiker werfen Løkke außerdem vor, längst fällige Aufstockungen der Sozialetats vor allem für die Versorgung älterer Menschen als Geschenk an die Wähler zu verkaufen.

Eigentlich ist es simpel: Wer mit Rechtsextremen oder -populisten zusammenarbeitet, wer ihre Positionen und ihre Rhetorik übernimmt, ist kein Sozialdemokrat. Der Name der Partei tut dabei nichts zur Sache. Auf die Inhalte kommt es an.

schreibt NutzerIn Soungoula

Klimapolitik - aber ohne Einschnitte

Der große grüne Elefant im Raum ist wohl die Klimapolitik. Dänemark ist ein Agrarstaat, dessen Bürger viel reisen, konsumieren und auf Sicherheit und Stabilität setzen – harte Einschnitte wie eine Abgabe auf Fleisch oder Kerosin wären da unpopulär. In einer Talkshow zum Thema Klimapolitik schoben die anwesenden Parteivertreter das Thema auf die EU-Ebene und wichen bei der Frage nach Beschränkungen für Industrie, Flugverkehr oder Viehhaltung aus.

Selbst der Kandidat der rot-grünen Einheitsliste wollte lieber von neuen Technologien sprechen als von Einschnitten. „In Dänemark kann man immer darauf verweisen, dass wir ja die besten in der Welt sind, wenn es etwa um Windkraft geht“, sagt Bech Seeberg. „Aber niemand ist an einer Fleisch- oder Flugsteuer interessiert.“

Wie egal der Politik die Klimafrage sein kann, zeigte Mette Frederiksen bei einer Veranstaltung in einer Schule in Aalborg: Eine Schülerin fragte die Spitzenkandidatin, woher die Rosen kämen, die die Sozialdemokraten zu Tausenden verteilen. Frederiksen gab lächelnd zu, dass sie das nicht wisse – und dass ihre Partei auch nicht vorhabe, mit dem Verteilen aufzuhören. Ein bedauernder Blick von unten, zurückgezogene Mundwinkel, ein kurzes Schulterzucken – das reichte, um das Thema zu wechseln. Die grüne Partei „Alternative“ fällt derzeit in den Umfragen von 4,8 Prozent auf 3,5 Prozent.

Was den Dänen wirklich wichtig ist: sichere Grenzen und eine gute Sozialversorgung. „Die Weißen sollen Leistungen bekommen, die Braunen nicht“, spitzt Bech Seeberg die Mentalität vieler Wähler zu. Eine nationalistische und gleichzeitig soziale Politik weckt in Deutschland Unbehagen – nicht so in Dänemark. „Die beiden Themen werden nicht zusammengedacht“, sagt Bech Seeberg. Und so wird eine rechte Einwanderungspolitik in Kombination mit einer linken Sozialpolitik eine schwächelnde sozialdemokratische Partei wohl erneut zur regierungsfähigen Volkspartei machen.

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