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Israelische Soldaten sind in der Nähe der Grenze zu Gaza postiert.
© dpa

Nach tödlicher Attacke Israels: Sorge vor neuem Krieg im Gazastreifen wächst

Die Zerstörung eines Palästinensertunnels durch die israelische Armee ist hochbrisant. Die Lage ist so angespannt wie zuletzt 2014.

Am Ende hatten die israelischen Streitkräfte mehr erreicht, als sie vorhatten: Mindestens sieben Palästinenser starben, als Israel am Montag eine im Bau befindliche Tunnelanlage zerstörte, die von Chan Junis im Gazastreifen nach Israel führte. Unter den Toten befinden sich Medienberichten zufolge ein Kommandeur des Islamischen Dschihad – die zweitgrößte Gruppe in Gaza nach der Hamas –, dessen Stellvertreter sowie Mitglieder der Hamas. Einige von ihnen seien wohl erst durch den Staub und giftige Gase gestorben, bei dem Versuch, verletzte Kameraden aus dem zerstörten Tunnel zu bergen, heißt es.

Amos Harel, Militärkorrespondent der Tageszeitung „Haaretz“, berichtet von einem Briefing für Journalisten am Montagabend, bei dem der Sprecher erklärte, man habe zwar die Tunnel zerstören wollen, es seien dabei aber mehr Menschen als erwartet ums Leben gekommen. In einem Pressebericht schrieb die Armee, die Streitkräfte hätten kein Interesse an einer Eskalation der Lage, seien aber auf verschiedene Szenarien vorbereitet.

Islamischer Dschihad kündigt Vergeltung an

Bisher reagierten die Terroristen in Gaza nur verbal, dafür aber scharf auf die tödliche Aktion der Armee: Von einem „Massaker“ sprach der Islamische Dschihad. Die Gruppe rief zur Mobilisierung auf und warnte, man würde den Angriff vergelten. Wie, ließ sie offen, doch die Ereignisse von Montag haben die Spannungen in und um den Gazastreifen so hoch steigen lassen wie schon seit dem letzten Krieg 2014 nicht mehr. Medien berichten, Israel habe das Raketenabwehrsystem „Eiserne Kuppel“ an der Grenze zum Gazastreifen aufgebaut.

„Das alles geschieht in einer brisanten Situation“, sagt der Militärexperte Amos Harel. Auf der einen Seite steckt die Hamas im Gazastreifen mitten im Versöhnungsprozess mit der bislang verfeindeten Fatah. Auf der anderen Seite konkurriert die Hamas seit Längerem mit salafistischen Gruppen – muss sich also als führungsstarke Kraft beweisen. „Ich denke, wir haben das Ende noch nicht gesehen, es gab noch keine direkte Reaktion. In den nächsten Tagen, wenn sich der erste Staub gelegt hat, wird sich zeigen, zu was das noch führen wird“, sagt Harel.

Versöhnungsgespräche am wichtigsten für Palästinenser

Großes Interesse an einem Vergeltungsschlag, der möglicherweise weitere Reaktionen aus Israel nach sich zieht, können die Palästinenser in Gaza kaum haben. „Die Versöhnungsgespräche sind die Nummer eins auf der Agenda der Palästinenser“, analysiert Harel. So soll am heutigen Mittwoch als erster Schritt die Grenzkontrolle in Gaza an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben werden. Außerdem soll dann auch der Rafah-Grenzübergang zu Ägypten wieder regelmäßig geöffnet werden.

„Das ist wohl der Hauptgrund, warum es vom Islamischen Dschihad und der Hamas noch keine gewalttätige Reaktionen gab“, vermutet Harel. Es werde eventuell eine Art Vergeltung folgen, aber Raketen auf die Küstenstädte Ashdod, Aschkelon oder andere Grenzorte am Gazastreifen hält er für wenig wahrscheinlich.

Streit unter israelischen Ministern

In Israel hat der Einsatz heftige Reaktionen ausgelöst. Denn die Erklärung der Armee, die Tötung der Terroristen sei nicht geplant gewesen, fassten manche als Entschuldigung auf. So schrieb Bildungsminister Naftali Bennett von der nationalreligiösen Partei „Jüdisches Heim“ auf Twitter: „Wir dürfen uns nicht dafür entschuldigen, dass wir erfolgreich Terroristen beseitigt haben.“ Das Ziel der Armee sei es, den Feind zu besiegen, und das müsse weiterhin geschehen. Diese Kritik an der Armee wollte wiederum Verteidigungsminister Avigdor Liebermann („Unser Haus Israel“) nicht auf sich sitzen lassen und sagte, Bennett gefährde mit seinen Kommentaren die Sicherheit des Landes.

Was auch immer die Armee ursprünglich geplant hatte: Der Einsatz zeigt, dass Israel bei der Entdeckung von Tunneln erfolgreich ist. In den vergangenen Monaten wurde immer wieder von einer unterirdischen High-Tech-Mauer berichtet, die die Armee ober- und unterhalb der Erde entlang der Grenze zum Gazastreifen installiert. Diese soll den Bau von Tunneln melden und dabei helfen, bereits fertiggestellte zu zerstören. Zwar ging die Armee nicht näher darauf ein, wie die Tunnel entdeckt oder zerstört wurden. Sie verriet nur so viel: Die Operation habe aufgrund „fortschrittlicher Technologien“ erfolgreich durchgeführt werden können.

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