Kretschmann contra Wolf: Sommerliches Fernduell im Ländle
Den grünen Landesvater Winfried Kretschmann und seinen CDU-Gegenspieler Guido Wolf beschäftigt im Vorwahlkampf im Ländle ein Thema: die Flüchtlingspolitik
Winfried Kretschmann bestellt Wurstsalat und ein Pils. Es ist Freitagabend. Zeit, kurz durchzuatmen. Zwei Wochen war Baden-Württembergs grüner Regierungschef unterwegs. Er hat sich auf seiner Sommertour die Sorgen der Bürger angehört. Nun sitzt er in der Präsidentenloge des Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen. Gleich beginnt das Derby gegen den FC Heidenheim, es ist der Abschluss der Reise.
Kretschmann und der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises, Stefan Dallinger (CDU), reden in der Loge über das Thema, bei dem Kretschmann nach Meinung seiner Kritiker nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren hat: die Flüchtlingspolitik. Dallinger hatte mit anderen per offenem Brief vom Regierungschef Verbesserungen in der Asylpolitik gefordert. Das Staatsministerium war verärgert.
Tags darauf absolviert Guido Wolf (53) den letzten Termin seiner Sommerreise. Per Bus steuert der CDU-Spitzenkandidat, der am 13. März 2016 Kretschmann herausfordert, das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof im südbadischen Gutach an. Auf der Fahrt zieht er vor den mitreisenden Helfern der Jungen Union Bilanz: "Wir haben viel Kraft, gute Argumente – der 13. März ist unser!" Vor 100 CDU-Mitgliedern und -Sympathisanten geht Wolf am Museum im Fernduell mit Kretschmann zum Angriff über.
Wolf: Die Menschen wollen erleben, dass die Politik Lösungen sucht
80 Termine habe er in den vergangenen zwei Wochen absolviert. Immer sei ein Thema dominant gewesen – die Flüchtlingspolitik. "Die Menschen wollen erleben, dass die Politik Lösungen sucht." Und sie würden differenzieren. Er sei dafür, Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien "schneller zu integrieren". Bei Flüchtlingen ohne Bleiberechtsperspektive würden die Menschen aber "zu Recht schnellere Verfahren" und bei Ablehnung der Asylanträge konsequente Abschiebungen fordern. Er habe geglaubt, dass Kretschmann "noch einmal über seinen Schatten springt", und der Ausweisung weiterer Balkan-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zustimme. "Nun hat ihn aber die grüne Politik eingeholt."
Kretschmann hat das Amt und den Apparat, vor allem aber ein überragendes Ansehen. Wolfs CDU hat ein breites Netzwerk mit Landräten, Bürgermeistern, Vereinsvorsitzenden – und mit der Flüchtlingspolitik unerwartet ein Thema, von dem sie hofft, dass es den Ministerpräsidenten in die Klemme bringt. Der hat rasch in seine Sommertour zwei Besuche einer Erstaufnahmestelle eingeschoben. 1992 hatte die Südwest-CDU mit harschen Tönen und der Forderung nach Asylrechtsverschärfungen Wahlkampf gemacht. Nutznießer waren die Republikaner, die CDU verlor die absolute Mehrheit.
Die CDU forciert die Frage sicherer Herkunftsländer, die bei den Grünen umstritten ist
Daraus hat sie gelernt. Die Tonlage ist heute eine ganz andere. Der Fingerzeig auf Kretschmann ist trotzdem ein Wagnis. Schließlich regiert die Union – wie 1992 – im Bund. Berlin aber ist für die schleppende Bearbeitung der Asylanträge verantwortlich. Andererseits sind die Baden-Württemberger in sieben Monaten zu einer Landtagswahl aufgerufen. Die CDU lenkt daher aus der ungewohnten Oppositionsrolle den Fokus auf vermeintliche Fehler der regierenden Grünen. Sie forciert dazu die Frage sicherer Herkunftsländer, die bei den Grünen umstritten ist.
In der Halbzeit des Kicks in Sandhausen, gibt Winfried Kretschmann einem Fernsehsender ein Interview. Er steht auf dem Rasen und beantwortet Fragen zum Spiel. Die Flüchtlingspolitik und der Vorwahlkampf sind auf einmal weit weg. Das Fußball-Derby endet dann 0:0 – unentschieden.