Front in der Truppe: Soldaten halten Frauen in der Bundeswehr für untauglich
Soldaten haben wachsende Vorbehalte gegenüber ihren weiblichen Kameradinnen. Die Frauen in der Bundeswehr wiederum werden immer selbstbewusster - allerdings nicht, was ihre Rolle in Konflikten angeht.
Der Befund ist reichlich alt, dafür aber umso unerfreulicher. Im Jahr 2011 haben die Sozialwissenschaftler der Bundeswehr versucht herauszufinden, wie es um die Integration der weiblichen Soldaten in der Armee bestellt ist. Mit der Auswertung hat man sich Zeit gelassen, aber seit Mitte dieser Woche liegt das Ergebnis vor. Und obwohl der Verfasser, der Soziologe Gerhard Kümmel, am Freitag von gewissen „Ambivalenzen“ in seinen Daten spricht, kommt er um das Fazit nicht herum: „Es gibt eine gewisse Eintrübung des Integrationsklimas.“
Männliche Soldaten schätzen weibliche Kameradinnen nicht
Das ist höflich ausgedrückt. Man kann die Fragebogen-Auswertung auch so zusammenfassen: Im Vergleich zur ersten Studie 2005 sind die Männer in Uniform gegenüber Kameradinnen abschätziger geworden. Nur in einem Punkt sind sich die Geschlechter einig: dass die Bundeswehr als familienfreundlicher Arbeitgeber nicht viel taugt. Das Muster zieht sich durch die ganzen 81 Seiten des Gutachtens. Es beruht auf der Auswertung von fast 5000 Fragebögen – 3000 Soldaten und 1800 Soldatinnen haben geantwortet. Nur in wenigen Punkten vermeldet die Studie Fortschritte und in einem zumindest keinen Rückschritt: Sexuelle Gewalt gegen Frauen kommt nicht häufiger vor als in anderen europäischen Armeen oder im normalen Berufsleben. Daneben wird vermerkt, dass die Soldatinnen selbstbewusster geworden sind und Militäreinsätze als Mittel der Außenpolitik stärker akzeptieren – ein Zeichen dafür, sagt Kümmel, dass sie nach dem Jahrzehnt, in dem es überhaupt erst regulär Frauen beim Bund gibt, im Wertesystem des eigenen Berufs angekommen sind.
Frauen in der Bundeswehr sind selbst skeptisch
Weniger erfreulich ist hingegen die Entwicklung an der Neid-Front. Deutlich mehr Männer als fünf Jahre zuvor finden, dass Frauen von Vorgesetzten bevorzugt und viel zu positiv beurteilt würden. Auch bei Fragen nach der Eignung der Frau für das „harte Leben im Felde“ oder als Vorgesetzte ist die Skepsis der Männer durchweg gestiegen. Fast jeder siebte Soldat findet sogar, die Armee stünde ohne Frauen besser da und könne jetzt ihren militärischen Auftrag nicht mehr erfüllen. 40 Prozent würden Frauen gerne von Kampfeinsätzen ausnehmen. Ob Frauen gut für Deeskalationseinsätze taugten, bejahten 2005 noch zwei Drittel der Männer – sechs Jahre später sind es nur noch 43 Prozent.
Gerade letztere Zahl ist allerdings ein gutes Beispiel dafür, dass die Statistiken mit Vorsicht gedeutet werden sollten. Denn auch die Frauen selbst sind dieser Ansicht – 2005 sah sich praktisch jede Soldatin als perfekte Konfliktentschärferin, 2011 sind davon nur noch zwei Drittel überzeugt. Auch die Skepsis der Männer hat also vielleicht weniger mit Vor- als vielmehr mit Urteilen aufgrund gemeinsamer Erfahrungen zu tun. In Afghanistan musste die Bundeswehr schließlich schon früh lernen, dass man dort selbst Männer nur mit Bart ernst nimmt.
Befragung bestätigt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
Der Zuständige für Integration bei der Bundeswehr, Vizeadmiral Heinrich Lange, warnt denn auch vor vorschnellen Schlüssen: „Aktivismus hilft hier nicht.“ Einstellungen ließen sich nicht per Befehl ändern. Der Soziologe Kümmel empfiehlt zumindest schon mal, die anfangs üblichen Integrationstrainings wieder aufzunehmen.
Gegen den Familien- und Beziehungsfrust helfen die aber auch nicht. Nur 57 Prozent der Männer wie der Frauen in Uniform würden, Stand 2011, wieder Soldat werden, nur jede/r Dritte würde das Freunden empfehlen. Dass Familie und Bundeswehr gut vereinbar seien, glaubten 2005 noch drei Viertel – sechs Jahre später sagt das nur noch gerade die Hälfte der Soldatinnen und Soldaten.
Dahinter steckt sicher zu gewissen Teilen ein gesellschaftlicher Trend – auch im Zivilleben wurde der Vater, der sich Zeit für seine Kinder nimmt, erst nach und nach zum Vorbild. Für die Armee mit ihren Spezialproblemen durch Einsatz und häufige Versetzung ist das kein Trost. Für die neue Chefin im Haus ist der Befund immerhin Bestätigung. Ursula von der Leyen findet für ihre alten Themen – Frauenförderung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf – im neuen Ministerium ein reiches Betätigungsfeld. Zumal manches dafür spricht, dass eine Befragung heute noch miesere Noten für den Arbeitgeber Bund ergäbe. Aber deren Ergebnisse würden dann, so wie die Dinge in der Bundeswehr ihre Weile haben, ja vermutlich auch erst wieder Jahre später vorliegen.