„Politische Flankierung“ gewünscht: So wollte die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 durchdrücken
Mecklenburg-Vorpommern beteuert, sich von russischer Aggression abzugrenzen. Doch die Regierung von Manuela Schwesig verplant 350.000 Euro für den Russlandverein.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) gerät wegen ihrer Russland-Politik weiter unter Druck. Wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ am Mittwoch online berichtete, erbat die Gazprom-Tochterfirma Nord Stream 2 bereits Frühjahr 2016 „politische Flankierung“ beim Genehmigungsverfahren für das Milliarden-Projekt.
Die „Zeit“ zitierte aus einer Präsentation von Nord Stream 2 für das zuständige Energieministerium in Schwerin. „Ein entsprechender Kabinettsbeschluss ist in der laufenden Legislaturperiode wünschenswert“, heißt es demnach dort. Die Präsentation gehört laut „Zeit“ zu Unterlagen, die die Staatskanzlei der Transparenz-Organisation „FragDenStaat“ auf Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgehändigt habe.
Laut „Zeit“ schrieb das Energieministerium für das Bergamt Stralsund als zuständiger Genehmigungsbehörde eigens zwei Stellen aus, um den Zeitplan der Nord Stream 2 AG erfüllen zu können. Derartige Stellenbeschaffungen seien bei Projekten dieser Dimension üblich, sagte der damalige Energieminister und jetzige Innenminister Christian Pegel (SPD) dem Blatt.
Die wichtigsten Fakten zu Nord Stream 2:
- Baubeginn für die etwa 1200 Kilometer lange russisch-deutsche Leitung war 2018.
- Nord Stream 2 verläuft parallel zur 2011 fertiggestellten Gaspipeline Nord Stream 1 verläuft.
- Sanktionsdrohungen durch die USA verzögerten den Bau der neuen Pipeline.
- Nord Stream 2 wurde auch mit Hilfe einer von Mecklenburg-Vorpommern gegründeten Stiftung 2021 fertiggestellt.
- Als Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine erhielt die Gasleitung aber keine Betriebserlaubnis.
Schwesig wies Kritik an ihrer Unterstützung für den Pipeline-Bau zurück. „Deutschland hat viele Jahrzehnte bei der Energieversorgung stark auf Erdgas aus Russland gesetzt“, erklärte die SPD-Politikerin am Mittwoch. Das Projekt sei von der Bundesregierung aus Union und SPD immer befürwortet worden. Die Pipeline sei eines der größten Infrastrukturprojekte der letzten Jahre gewesen. „Da ist völlig klar, dass eine Landesregierung und auch die Ministerpräsidentin Gespräche mit den Investoren führt. Immer im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern“, betonte Schwesig, die zuvor bereits ihre partnerschaftliche Strategie gegenüber Russland aus heutiger Sicht als Fehler bezeichnet hatte.
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Rückendeckung bekam sie aus der Wirtschaft. Es habe aus wirtschaftlicher Perspektive viele gute Gründe gegeben, sich für die Fertigstellung von Nord Stream 2 einzusetzen, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag). Die Sowjetunion und später Russland seien jahrzehntelang verlässliche Lieferanten von Energie gewesen.
Am Mittwoch führte ein Posten von 350.000 Euro im Regierungsentwurf des Landeshaushalts 2022/23 für den Verein Deutsch-Russische Partnerschaft MV von Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) zu heftiger Kritik der Opposition. Der Etatentwurf war am 15. März im Kabinett verabschiedet worden, fast drei Wochen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine.
Die eingeplante Summe erwecke den Anschein, dass die SPD bereits für die Zeit nach dem Krieg plane, sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Marc Reinhardt. Nach Einschätzung von FDP-Fraktionschef René Domke stellt der Vorgang die Glaubwürdigkeit der Ministerpräsidentin in Frage. „Allen Ankündigungen des Landes zum Trotz, keine Angelegenheiten mehr zu fördern, die eine klare Abgrenzung zur russischen Aggressionspolitik erschweren oder verwischen, plant Rot-Rot weiterhin, dem von Ex-Ministerpräsident Sellering geführten Russlandverein 350.000 Euro zukommen zu lassen.“
600.000 Euro Anschubfinanzierung
Der NDR berichtete, aus einem Schreiben des Finanzministeriums vom 28. März an die Staatskanzlei gehe hervor, dass dem Verein in diesem Jahr 350.000 Euro ausgezahlt werden sollen. Ein Regierungssprecher erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Es sind keine Gelder an den Verein ausbezahlt worden. Uns liegt auch kein Antrag darauf vor.“ Bei der Zuordnung des Finanzpostens handele es sich vor allem um Haushaltstechnik.
Der 2019 gegründete Verein Deutsch-Russische Partnerschaft sollte vom Land insgesamt 600.000 Euro Anschubfinanzierung für die ersten vier Jahre seiner Arbeit bekommen. Die 350.000 Euro sind ein Teil davon.
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Der Verein will nach eigener Aussage auf seiner Internetseite den Austausch insbesondere in Kultur, Sport, Wissenschaft und Bildung voranbringen. Gefördert werde das Kennenlernen von Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern und Russland und da besonders aus der Partnerregion Leningrader Oblast.
Schwesig hatte nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine den Verein nach eigenen Angaben gebeten, die Arbeit ruhen zu lassen. Auf seiner Internetseite verurteilt der Verein den russischen Angriffskrieg und erklärt zugleich, beide Völker dürften sich nicht gegeneinander aufhetzen lassen. „Es darf keine verfestigte Feindschaft zwischen Deutschen und Russen geben.“ (dpa)