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Frankreichs Staatschef Macron beim TV-Interview am Dienstag.
© AFP

TV-Interview zum Nationalfeiertag: So will Macron Frankreich aus der Krise führen

In Frankreich grassiert die Angst vor einer zweiten Corona-Welle – und vor einer Wirtschaftskrise. Präsident Macron steht nun unter Druck.

Die Corona-Pandemie ändert vieles in Frankreich – selbst den Ablauf der Feiern zum Nationalfeiertag. Normalerweise wird mit einer großen Militärparade auf den Champs-Elysées am 14. Juli an den Sturm auf die Bastille während der französischen Revolution erinnert.

Am Dienstag gab es für Staatspräsident Emmanuel Macron und die 2500 Gäste auf der Tribüne am Place de la Concorde nur ein verkleinertes Defilee zu sehen. 2000 Soldaten, nur halb so viele wie sonst üblich, marschierten auf dem Platz auf.

Die Franzosen, die sonst während des Nationalfeiertags dicht gedrängt die Champs-Elysées säumen, konnten diesmal die Zeremonie nur im Fernsehen verfolgen. Während normalerweise überall im Land der Feiertag mit volkstümlichen Bällen, Konzerten und Feuerwerk begangen wird, fielen die Feiern diesmal weit gehend aus. Das Feuerwerk in der Nähe des Eiffelturms konnte nur aus der Ferne bewundert werden.

Anders als sonst war auch die Zusammensetzung des Publikums auf der Tribüne. Unter den Gästen befanden sich vor allem Menschen, die im März und April die Hauptlast im Kampf gegen die Pandemie getragen hatten: Lehrer, Kassierer, Polizisten, Feuerwehrleute und Fabrikarbeiter, die Mund-Nase-Masken gefertigt hatten. Am Ende der Zeremonie zollten Macron und die übrigen Gäste Krankenschwestern und Pflegern Beifall, die sich auf dem Platz postiert hatten.

Angst vor der zweiten Welle

In Frankreich grassiert die Furcht vor einer zweiten Welle der Pandemie, seit im Département Mayenne im Nordwesten des Landes und im Département Gironde im Südwesten wieder mehrere neue Infektionsherde registriert wurden. Auch mit Blick auf eine mögliche zweite Welle hat sich Macrons neuer Premierminister Jean Castex gemeinsam mit den Gewerkschaftsvertretern am Montag auf eine Rahmenvereinbarung für den Gesundheitssektor verständigt.

Die Abmachung sieht vor, dass künftig zusätzlich 7,5 Milliarden Euro in den Gesundheitssektor fließen sollen. Mit den Geldern soll unter anderem eine monatliche Gehaltserhöhung von Höhe von 183 Euro für das Krankenhaus- und Pflegepersonal finanziert werden.

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Trotzdem ist der Unmut in der Bevölkerung gegenüber Macron groß, dem es letztlich angelastet wird, dass Frankreich in Europa zu den von der Pandemie besonders betroffenen Länder gehört. Rund 30.000 Menschen sind im Nachbarland bislang durch das Virus gestorben. Aus diesem Grund erklärte sich der Staatschef am Dienstag zum Nationalfeiertag auch zu einem seiner seltenen Fernsehinterviews bereit.

Zum letzten Mal hatte sich Macron live im April 2019 befragen lassen – nach dem Ende des landesweiten Aufstands der „Gelbwesten“, der zu einer ernsthaften Krise seiner Präsidentschaft geführt hatte.

Emmanuel Macron (r, 2. Reihe) fährt vor Beginn der Militärparade zum Nationalfeiertag an den Soldaten vorbei.
Emmanuel Macron (r, 2. Reihe) fährt vor Beginn der Militärparade zum Nationalfeiertag an den Soldaten vorbei.
© dpa/Francois Mori

Macron ging es bei dem Interview am Dienstag in erster Linie darum, den Franzosen zu erklären, wie es mitten in der Corona-Krise in den verbleibenden rund 600 Tagen seiner Präsidentschaft weitergehen soll. Auch wenn er sich am Dienstag in diesem Punkt bedeckt hielt, so scheint doch klar, dass der 42-Jährige bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2022 wiedergewählt werden will.

Dass dies nicht einfach werden dürfte, ist auch Macron bewusst. Er könne die Ablehnung vieler Franzosen verstehen, das ihm entgegenschlägt, sagte er zu Beginn des Interviews. Allerdings seien Hass und Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung nicht akzeptabel, fügte er hinzu. „Es gibt eine Vertrauenskrise“, gab Macron zu. Den Aufstand der Gelbwesten bezeichnete er als eine „nie dagewesene soziale Krise“. Macron gab zu, seine Politik nicht gut genug erklärt zu haben.

Der Staatschef verteidigt den umstrittenen Innenminister Darmanin 

Im Rückblick sagte Macron dennoch, dass die von ihm eingeleiteten Reformen, zu denen unter anderem die Öffnung der französischen Staatsbahn für den Wettbewerb gehört, notwendig gewesen seien. Auch an der geplanten Rentenreform möchte Macron festhalten.

Unterdessen hat der Staatschef die Erwartungen all derer enttäuscht, die mit der jüngsten Regierungsumbildung einen grundlegenden politischen Wandel erwartet hatten: Auf den bisherigen Regierungschef Edouard Philippe folgte der hohe Beamte Jean Castex, der wie sein Vorgänger die französische Eliteschule ENA absolviert hat.

Besonders umstritten ist die Berufung von Gérald Darmanin zum Innenminister, weil gegen den 37-Jährigen Ermittlungen wegen sexueller Gewalt laufen. Angesichts der Kritik an der Nominierung Darmanins erklärte Macron: „Ich teile das feministische Anliegen.“ Mit Blick auf die laufenden Ermittlungen lehnte er allerdings eine „Verurteilung durch die Straße“ ab. „Es gilt die Unschuldsvermutung, es gab mehrere Ermittlungen, und sie wurden jedes Mal eingestellt“, so Macron.

Macron will möglichst viele Arbeitsplätze und Fertigkeiten erhalten

Zu den wichtigsten Aufgaben der Regierung wird in den kommenden Monaten die Bewältigung der Pandemie und der Wirtschaftskrise gehören. Macron sprach sich dafür aus, möglicherweise bereits ab Anfang August einen Mund-Nasen-Schutz in allen geschlossenen öffentlichen Räumen zur Pflicht zu machen.

Was die Wirtschaft anbelangt, so wird in Frankreich in diesem Jahr ein Minus von elf Prozent erwartet. Laut den Prognosen der Regierung sind in den kommenden Monaten mehr als 800.000 Arbeitsplätze gefährdet. Macron verteidigte die massive Einführung der Kurzarbeit für fast 13 Millionen Franzosen im vergangenen Frühjahr. Dies sei gerechtfertigt gewesen, „weil das Haus gebrannt hat“. In der jetzigen Phase der Krise gehe es darum, möglichst viele Arbeitsplätze und die Qualifikationen der Beschäftigten zu erhalten.

Macron richtete dabei das Augenmerk insbesondere auf  junge Menschen, die derzeit mit der Ausbildung fertig werden und möglicherweise in der gegenwärtigen Lage gar keine Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.  Der Staatschef  kündigte die Schaffung von 300.000 „Eingliederungsverträgen“ für junge Arbeitssuchende an. Zudem sollen im französischen Freiwilligendienst – dem „service civique“ – in den kommenden sechs Monaten 100.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden.

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