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Am Wochenende gab es in Paris erneut Streiks gegen die Rentenreform.
© imago images/Hans Lucas

Umstrittene Rentenreform: So versucht Frankreichs Regierung die Gewerkschaften zu spalten

Bei Frankreichs umstrittener Rentenreform könnte es bald eine Lösung geben. Die Zugeständnisse von Macrons Regierung haben jedoch einen Haken.

Die Streiks in Frankreich ziehen sich endlos hin, vor allem die Pariser sind betroffen. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Doch endlich zeichnet sich im Konflikt um die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron ein möglicher Kompromiss ab. Premierminister Edouard Philippe lenkte beim größten Streitpunkt ein, dem Alter von 64 Jahren, zu dem die volle Rente vorgesehen ist. Macron sprach von einem „konstruktiven Kompromiss“.

Philippe hatte seine Vorschläge an die Gewerkschaften am Samstagnachmittag unterbreitet, als in Paris und überall im ganzen Land wieder gegen die Reform demonstriert wurde. Der Premierminister kündigte an, dass er die Maßnahme von 64 Jahren provisorisch zurückzieht. Die Sozialpartner können der Regierung bis Ende April Alternativen für die ausgeglichene Finanzierung der Rentenkasse machen. Die Regierung will das Projekt schnell voranbringen. Am 24. Januar soll es im Ministerrat vorgestellt werden, am 17. Februar darüber schon in der Nationalversammlung beraten werden.

Wer seine vorgeschriebenen Berufsjahre voll hat, kann derzeit mit 62 Jahren in Rente gehen. Mit 67 Jahren gibt es für alle die volle Rente. Mit der Reform war vorgesehen, dass es Abzüge für eine Rente vor 64 gibt – um Geld in der Rentenkasse zu sparen. Gibt es in den Verhandlungen bis April keine Alternative, behält sich Philippe vor, das Alter doch per Verfügung zum Gesetz zu ergänzen. Damit hat die Regierung auch auf die Bevölkerung gehört. Laut einer Umfrage sind rund 50 Prozent gegen die Rentenreform. Im Detail sieht das anders aus: 65 Prozent sind für die Abschaffung der bevorzugten Rentensysteme, 54 Prozent für das Punktesystem, aber 66 Prozent gegen das Alter 64.

Punktesystem bleibt Basis der Reform

Grundsätzlich hält die Regierung aber an der Rentenreform fest. Das Punktesystem bleibt die Basis der Reform, jeder eingezahlte Euro zählt für die Rente. Die vorteilhaften Rentensysteme sollen abgeschafft werden, aber schwere Arbeit weiterhin mit einem früheren Rentenalter belohnt werden. Die Eisenbahner der SNCF profitieren bisher besonders von den Privilegien, das Durchschnittsrentenalter dort liegt bei 56 Jahren, Zugfahrer gehen sogar noch wesentlich früher in Rente. Während bei der SNCF nur etwa zehn Prozent streiken, war es bei den Zugfahrern die Hälfte. Einigen Berufsgruppen wie Lehrern wurde als Ausgleich für ein weniger komfortables Rentensystem zugesagt, dass ihr Einkommen aufgestockt wird.

Mit dem Vorschlag von Philippe macht die Regierung einen Schachzug: Sie spaltet die Gewerkschaftsfront, denn sie kommt den gemäßigten Gewerkschaften CFDT und UNSA entgegen. Diese waren für das Punktesystem, hatten sich den Protesten aber angeschlossen, als Philippe das Alter von 64 Jahren mit ins Spiel brachte. Die linken Gewerkschaften, allen voran die kommunistische CGT, wollen dagegen die Rücknahme der Reform.

„Willen zum Entgegenkommen“

Zwei Protagonisten bestimmten deshalb in den letzten Wochen die Diskussion um die Rentenreform. Laurent Berger, Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, hatte das Punktesystem schon vertreten, lange bevor Macron seine Rentenreform gestartet hat. Er spricht sich aber dafür aus, dass das Rentenalter individuell angepasst wird, nach Länge der Berufsjahre und Härte des Jobs. Berger lobte nun den „Willen zum Entgegenkommen“, sprach von einem „Sieg“ und ist bereit, mit der Regierung über eine ausgeglichene Finanzierung zu diskutieren. Ihm folgt die andere gemäßigte Gewerkschaft UNSA.

Der kämpferische Chef der kommunistischen CGT, Philippe Martinez, zeigte sich von Philippes Vorschlag nicht überzeugt und will weiter streiken. Andere linke Gewerkschaften wie FO (Force Ouvrière) sind seiner Meinung. Bei der Demonstration am Samstag zeigte sich, wie seine Anhänger die Diskussion bestreiten wollen. Sie hielten Spruchbänder mit der Aufschrift: „Rente nach Punkten, alle verlieren. Rente mit 60 Jahren, alle gewinnen.“

Es wird wieder „galère“ – total nervig

Die Proteste hatten am 5. Dezember begonnen. Der Zugverkehr im ganzen Land ist gestört, besonders dramatisch ist die Lage in Paris und Umgebung. Die Vorstadtbahnen RER fahren kaum oder gar nicht. Deshalb setzen die Franzosen nun große Hoffnungen auf einen Kompromiss. Wie es mit den Streiks weitergeht, ist nicht abzusehen: Die linken Gewerkschaften sind in den Staatsbetrieben stark vertreten, zahlreiche Vertreter rufen zu neuen Aktionen auf.

Auch am Sonntag wurde weiter gestreikt, allerdings fuhren in Paris schon mehr Metros als zuletzt. Olivier Terriot, CGT-Verantwortlicher beim Pariser Nahverkehrsbetrieb, kündigte aber an: Am Montag werde es wieder „galère“ – total nervig.

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