Prozess gegen Yücel geht weiter: So steht es um die Verfahren gegen Deutsche in der Türkei
Deniz Yücel wird zu seinem Prozess heute in Istanbul nicht erscheinen. Acht weiteren Bundesbürger wird bald der Prozess gemacht. Ein Überblick.
Türkische Gerichte befassen sich in den kommenden Tagen und Wochen mit politischen Vorwürfen gegen mindestens neun Bundesbürger. Heute wird das Verfahren gegen den Journalisten Deniz Yücel fortgesetzt. „Wir erwarten, dass der Staatsanwalt sein Plädoyer verliest“, sagte Yücels Anwalt Veysel Ok der Deutschen Presse-Agentur. Ein Urteil werde bei der Verhandlung vor dem Istanbuler Gericht aber voraussichtlich noch nicht fallen.
Kurz nach dem Türkei-Besuch von Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Bundesregierung die Festnahme von weiteren fünf Deutschen in dem EU-Bewerberland bestätigt. Auch für vier bekannte Angeklagte aus Deutschland gehen in diesem Monat Strafverfahren in der Türkei weiter. Ein Überblick:
Aret Demirci: Der deutsche Stiftungsmitarbeiter Aret Demirci reist zu seinem Prozesstermin an diesem Dienstag in Istanbul aus Berlin an. „Ich will dem Richter gegenübertreten und mich von Angesicht zu Angesicht verteidigen“, sagte Demirci dem Tagesspiegel. Er wolle nicht den Eindruck entstehen lassen, dass er sich davon gemacht habe. Der 38-jährige, der bis vor kurzem in Istanbul für die FDP-nahe Naumann-Stiftung arbeitete, war aufgrund eines Tweets im Sommer vergangenen Jahres vorübergehend festgenommen worden und ist wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt.
Auch nach Aufhebung seiner Ausreisesperre zu Jahresbeginn blieb Demirci zunächst in der Türkei, um seinen Prozess auszufechten. Inzwischen wurde er von der Stiftung nach Bulgarien versetzt und bereitet sich derzeit in Berlin auf den neuen Posten vor, den er zum Jahreswechsel antreten soll.
Deniz Yücel: Nicht zu seinem Prozesstermin am 17. Oktober in Istanbul erwartet wird nach Angaben seines Anwalts der bekannteste deutsche Angeklagte in der Türkei, Deniz Yücel. Statt vor Gericht in Istanbul will Yücel an diesem Tag in der Katharinenkirche in Frankfurt erscheinen, um aus seinem neuen Buch zu lesen: „Agentterrorist“ heißt es, Yücel arbeitet darin sein Jahr in türkischer Untersuchungshaft sowohl persönlich als auch politisch auf.
Der damalige Türkei-Korrespondent der „Welt“ hatte ein Jahr lang in türkischer Untersuchungshaft gesessen und war dann wegen Terrorpropaganda angeklagt worden. Das türkische Verfassungsgericht erklärte seine lange U-Haft in diesem Sommer für rechtswidrig. Beim bevorstehenden Prozesstermin müsste Yücel daher eigentlich freigesprochen werden, sagte sein Anwalt Ok dem Tagesspiegel in Istanbul. „Aber in der Türkei weiß man ja nie“, fügte Ok hinzu.
Mesale Tolu: Auf Buch-Tournee ist auch Mesale Tolu, deren Prozess in Istanbul am Freitag fortgesetzt wird. „Mein Sohn bleibt bei mir“, heißt ihr Buch über die acht Monate, die sie unter Terrorvorwurf in türkischer Untersuchungshaft verbrachte – zeitweise mit ihrem damals zweijährigen Sohn Serkan. Seit zwei Monaten arbeitet Tolu zudem als Volontärin bei der „Schwäbischen Zeitung“.
Um den Sohn kümmert sich inzwischen ihr Ehemann Suat Corlu: Seit auch er im vergangenen Jahr aus der Türkei ausreisen durfte, lebt die Familie vereint in Tolus Heimatstadt Ulm. Zum Prozesstermin in Istanbul werde sie nicht erscheinen, sagte Tolu dem Tagesspiegel: „Ich muss ja arbeiten.“
Peter Steudtner: Auch der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner hat nicht vor, an diesem Mittwoch zur Fortsetzung des Terrorprozesses gegen ihn selbst, einen schwedischen und acht türkische Menschenrechtler in Istanbul zu erscheinen. Zwar liege kein Haftbefehl gegen ihn vor, doch wolle man angesichts des Zustands der Justiz in der Türkei nichts riskieren, sagte sein Anwalt Murat Deha Boduroglu unserer Zeitung in Istanbul. Steudtner hatte 2017 mehr als 100 Tage in Untersuchungshaft gesessen, nachdem er bei einem Menschenrechtsseminar festgenommen wurde.
Nebahat Yildirim: Unter den fünf zuletzt festgenommenen Bundesbürgern ist nach Angaben der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD) die Hamburgerin Nebahat Yildirim, die Ehefrau des KGD-Chefs in der Hansestadt. Die KGD vermutet, dass Yildirim wegen regierungskritischer Facebook-Kommentare in Gewahrsam genommen wurde.
Details über die anderen vier Fälle sind nicht bekannt. Bei allen Festgenommenen muss ein Gericht über Freilassung oder Untersuchungshaft entscheiden. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, die Betroffenen würden von deutschen Diplomaten betreut.