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Hände waschen, bitte! Das Virus setzt dem Land am Kap zu.
© AFP

Südafrika und die Korruptionsskandale des ANC: Skrupellose Geschäfte mit der Pandemie

Südafrika und der regierende ANC werden von Korruptionsskandalen erschüttert. Kritiker sprechen von einer "Saison der Plünderei".

Cyril Ramaphosa zeigt sich erbost. Seinen wöchentlichen Brief an die Südafrikaner hat der Präsident mit dem Titel versehen: „Nur Aasfresser profitieren von einem Desaster“. Es folgt eine Aufzählung von Korruptionsfällen, die die südafrikanische Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen entsetzten.

Ein Geschäftsmann mit Verbindungen zum regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) trieb mitten in der Corona-Pandemie den Preis für Mundschutz um 900 Prozent in die Höhe. Ein Gemeinderat derselben Partei zweigte für hungrige Landsleute bestimmte Lebensmittelpakete für die eigene Familie ab.

Ein anderer dirigierte einen Wassertanker, der ein abgeschnittenes Township versorgen sollte, zu seinem Wohnhaus um. „Sie sind wie Hyänen, die ein verwundetes Opfer umzingeln“, heißt es im Brief des Präsidenten – ein Bild, das wiederum Tierschützer erboste.

Dabei wurden die skandalösesten Fälle vom Präsidenten gar nicht angesprochen. Etwa das Beispiel des ANC-Generalsekretärs Ace Magashule, dessen zwei Söhne sich aus dem Pandemie-Topf einen Auftrag über umgerechnet 110 000 Euro zu ergattern vermochten.

Oder Ramaphosas Sprecherin Khusela Diko, deren Gatte sich mehr als sechs Millionen Euro für die Beschaffung von Schutzanzügen sichern konnte. Auch von der Tochter des Mitglieds des ANC-Führungsrats, Nomvula Mokonyane, ist keine Rede.

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Seife für 150.000 Euro

Sie nutzte eine Gelegenheit zur Beschaffung von Seife im Wert von 150 000 Euro. In der Provinz KwaZulu/Natal kamen beim Kauf von Schutzbekleidung und Decken 1,5 Millionen Euro abhanden. Ihr Büro werde von Tausenden von Beschwerden überschwemmt, klagt die von der Verfassung eingesetzte Wächterin über Amtsmissbrauch, Busisiwe Mkhwebane: In Südafrika sei „die Saison der Plünderei“ eröffnet worden.

Für den Kampf gegen das Virus hatte die Regierung rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Wegen der Dringlichkeit wurden die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sonst üblichen Kontrollen gelockert.

Dies führte zu künstlich aufgeblähten Preisen, zu Vetternwirtschaft sowie zu blankem Diebstahl – Phänomene, die in Südafrika keineswegs neu sind. Unter der fast zehnjährigen Herrschaft von Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma kamen der Staatskasse nach Schätzungen von Fachleuten bis zu 200 Milliarden Euro abhanden. Kein Einziger wurde für den gigantischen Aderlass bisher vor Gericht zur Verantwortung gezogen.

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Seit zwei Jahren tagt in Johannesburg fast täglich eine Kommission zur Aufklärung der „Geiselnahme des Staates“ durch die Seilschaften Zumas, deren Enthüllungen immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Doch das Gremium kann keinen hinter Gittern bringen – das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die unter Zumas Herrschaft so sehr geschwächt wurde, dass sie selbst zweieinhalb Jahre nach dessen erzwungenem Abtritt noch keine einzige Anklage vor Gericht brachte.

Die neue Generalstaatsanwältin Shamila Batohi klagt, dass sie ihre Behörde von Grund auf wieder neu aufbauen müsse, und bittet um Geduld. Wie ihr Chef Ramaphosa, der schon seit zwei Jahren das Ende der Korruption verspricht.

Als Zumas Vizepräsident hatte er dessen Treiben allerdings vier Jahre lang tatenlos zugesehen, wofür wohlwollende Beobachter Ramaphosas Machtlosigkeit in der eigenen Partei verantwortlich machen. Der joviale Saubermann könne sich gegen die fest verankerten Patronage-Netzwerke einfach nicht durchsetzen, heißt es.

Auf den Hund gekommen

Selbst sein Stellvertreter David Mabuza, der Ramaphosa einst zum Amt des Parteipräsidenten verhalf, steht unter Verdacht: Ihm werden Betrügereien und sogar Mordkomplotte in seiner Heimatprovinz Mpumalanga nachgesagt.

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Bis heute hat ihn der Integritäts-Ausschuss des ANC nicht von den Vorwürfen entlastet. Parteigeneralsekretär Ace Magushule wird unterdessen nicht erst der Fall seiner Söhne vorgeworfen: Er steckt selbst bis zum Hals in Skandalen, über die ein Enthüllungsjournalist ein ganzes Buch zu füllen wusste.

Nach 26 Regierungsjahren sei die hehre Befreiungsbewegung Nelson Mandelas vollends auf den Hund gekommen, schimpfen Kommentatoren am Kap: „Ströme stinkenden Hühnerdrecks“ ergössen sich über den ANC, formuliert einer von ihnen.

Keine Frage, dass die Corona-Pandemie in Südafrika wie in anderen Teilen der Welt die schmutzigsten Kammern der Politik zum Vorschein brachte. Und die nächsten Wahlen sind erst in drei Jahren. Dem ANC, ist zu befürchten, wird selbst dann noch keine ernst zu nehmende Oppositionspartei gegenüberstehen.

Johannes Dieterich

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