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In Stockholm demonstrieren Menschen für die Aufnahme von Flüchtlingen.
© AFP

Flüchtlingspolitik: Skandinavien hilft und streitet

In den Skandinavischen Ländern helfen Teile der Bevölkerung, aber die Regierungen streiten über Flüchtlinge. Vor allem Rechtspopulisten geben dabei den Ton an.

Auch Skandinavien erlebt derzeit eine Woge der Hilfsbereitschaft gegenüber Asylsuchenden. Im Bemühen um die von der EU-Kommission vorgeschlagenen verbindlichen Quoten für die Flüchtlingsaufnahme können Deutschland, Österreich und Schweden aus dem Norden gleichwohl wenig Beistand erwarten. So hat Dänemark in den vergangenen Tagen zwar die Bereitschaft signalisiert, solidarisch an einer Bewältigung der Krise mitzuwirken. Verbindliche Quoten lehnt man aber nachdrücklich ab. Die rechtsliberale Integrationsministerin Inger Støjberg verwies gegenüber dem Fernsehsender TV2 auf die dänischen Ausnahmeregelungen zum Maastricht-Vertrag, die auch die Asylpolitik umfassen. Zudem habe man den Wählern versprochen, den Zustrom von Asylbewerbern zu begrenzen.

Auch für Finnland, wo man in diesem Jahr mit bis zu 30 000 Asylbewerbern rechnet, sind verbindliche Quoten nicht aktuell. Man unterstütze eine Verteilung der Flüchtlinge auf freiwilliger Basis, weise den Vorschlag der Kommission aber zurück, erklärte der konservative Innenminister Petteri Orpo. Zwang sei „nichts für Finnland“, betonte Außenminister Timo Soini, dessen rechtspopulistische „Wahre Finnen“ seit Mai in der von dem Rechtsliberalen Juha Sipilä geführten Koalition sitzen.

Das Nicht-EU-Mitglied Norwegen überlegt unterdessen laut der konservativen Ministerpräsidentin Erna Solberg noch, inwieweit man Appellen der Union zur Hilfe bei der Krisenbewältigung entgegenkommen kann. Schon jetzt sei sie „besorgt“ über die „hohe Zahl“ der in Norwegen für dieses Jahr erwarteten 15 000 Flüchtlinge, sagte Solberg zu Wochenbeginn der Zeitung „Dagbladet“.

Als Dänemark als freundliches Land aufgeführt wurde, kündigte die Regierung sofort schärfere Gesetze an

Tausende Asylsuchende kommen derzeit über Dänemark oder direkt aus Deutschland nach Schweden. Nur wenige bleiben in Dänemark, das kürzlich die Sozialbezüge für Asylbewerber drastisch gekürzt hat und dies in Annoncen in der internationalen Presse kommuniziert. Von Schweden aus reist ein Großteil weiter nach Norwegen sowie nach Finnland, wo sich zumal Iraker bessere Asylchancen erhoffen. Die offenbar genauen Zielvorstellungen vieler Asylsuchender haben für Missklänge im gutnachbarlichen Verhältnis der Nordeuropäer gesorgt. Aus Furcht, nicht nach Schweden weiterreisen zu dürfen, hatten vergangene Woche Asylsuchende in Dänemark die Registrierung verweigert und Züge blockiert. Dänemark hatte zunächst auf einer Registrierung bestanden, angesichts des wachsenden Chaos aber schließlich Schweden um eine bilaterale Sonderregelung gebeten. Stockholm lehnte ab. Die Entscheidung der dänischen Polizei, den Flüchtlingen freies Geleit zu geben, wurde im Nachhinein von Premier Lars Løkke Rasmussen abgesegnet. Das brachte ihm die Kritik seines schwedischen Amtskollegen Stefan Löfven ein, den wiederum Norwegens Ministerpräsidentin Solberg tadelt: Inzwischen muss man sich nämlich auch in Schweden nicht mehr registrieren lassen.

Dänemark, Schweden und Norwegen planen nun vorerst keine verschärften Grenzkontrollen; Finnlands Innenminister Petteri Orpo kündigte hingegen am Rande des EU-Innenministertreffens in Brüssel am Montag verschärfte Kontrollen an der Grenze zu Schweden an. Bereits Ende dieser Woche soll im nördlichen Finnland ein großes Asylzentrum eröffnet werden. Dort sollen alle, die die Grenze ohne gültige Papiere passieren, Fingerabdrücke hinterlassen. Zudem will man eine rasche Erstbeurteilung ihres Asylanspruchs vornehmen. Während Regierungschef Sipilä Solidarität mit den Asylsuchenden anmahnt, hat Sozialministerin Hanna Mäntylä von den „Wahren Finnen“ angeregt, zwecks Abschreckung die finanziellen Bezüge für Flüchtlinge zu kürzen.

Für Missstimmung in Kopenhagen sorgte unterdessen ein Bericht, wonach Dänemark trotz gekürzter Bezüge und restriktiver Asylpolitik nach wie vor zu den europäischen Ländern mit den besten Bedingungen für Asylbewerber zählt. Integrationsministerin Støjberg kündigte daraufhin mögliche weitere Änderungen der Gesetze an.

In Schweden vollführt der sozialdemokratische Premier Löfven unterdessen einen schwierigen Balanceakt: Nicht zuletzt mit Blick auf den Vormarsch der rechtspopulistischen Schwedendemokraten laviert er zwischen dem Bekenntnis zu einem „offenen Schweden“ und der Forderung nach „geordneten Verhältnissen“ im Asylprozess.

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