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Bremen-Wahl: Skandalerfahrene Linke

Ein Scheitern der Linkspartei in Bremen würde den Boden für Oskar Lafontaines Rückkehr bereiten. Bisher aber hofft die Spitze, bei der Bremen-Wahl mit einem blauen Auge davonzukommen

Berlin - Die Bremer Linkspartei muss im Wahlkampf ohne den früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine auskommen. Bei der großen Auftaktveranstaltung am 4. Mai war er krank, weitere Auftritte sind nicht geplant. Und doch spielt Bremen eine wichtige Rolle, wenn es um die politische Zukunft des Saarländers geht: Bei einem Scheitern der Partei an der Fünfprozenthürde werden die Rufe nach einem Comeback von Lafontaine vermutlich so laut, dass sich die bis Frühjahr 2012 gewählten Vorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch auf eine vorzeitige Ablösung gefasst machen müssen. Eine solche „zugespitzte Situation“ hatte der Lafontaine-Vertraute Heinz Bierbaum, stellvertretender Linken-Bundeschef, vor Wochen angedeutet.

Bisher aber hofft die Spitze, bei der Bremen-Wahl mit einem blauen Auge davonzukommen. Die Messlatte liegt ziemlich hoch. Bremen ist das erste Landesparlament im Westen, in das die Linke eingezogen ist, im Mai 2007 mit damals 8,4 Prozent der Stimmen. Bei der Bundestagswahl gut zwei Jahre später kam die Linke in Bremen sogar auf 14,3 Prozent der Zweitstimmen, das war – nach dem Saarland – das zweitbeste West-Ergebnis. Die jüngste Umfrage taxiert die Linke bei sechs Prozent. Gysi sagte dieser Tage, er sei für Bremen „einigermaßen optimistisch“.

Der Bremer Landesverband der Linken gilt als besonders schwierig. In der parlamentarischen Arbeit gab es von Anfang an Streitereien. Beide Fraktionsgeschäftsführer mussten in der Anfangszeit gehen. Illoyalität lautete der Vorwurf in einem Fall. Der andere Fraktionsgeschäftsführer hatte die junge Abgeordnete Sirvan Cakici mit liebestollen E-Mails belästigt. Cakici schloss sich vor einem halben Jahr der SPD an und verkündete: „Wir waren immer mit dem Zustand beschäftigt, dass wir kaum über Inhalte diskutieren konnten.“

Zu einem neuen Tiefpunkt wurde im Januar die Listenaufstellung für die Wahl im Mai. Peter Erlanson, Spitzenkandidat 2007 und wegen seiner Frisur „Karl Marx von Bremen“ genannt, wurde auf einen aussichtslosen Listenplatz zwölf verbannt. Die bisherige Abgeordnete Inga Nitz, damals noch eine der Bundessprecherinnen des Reformerflügels Forum demokratischer Sozialismus (FdS), wurde gar nicht mehr aufgestellt – sie gab ihr Amt als FdS-Sprecherin anschließend ab. Dafür gelangte auf Listenplatz sieben mit Songül Ergün-Bulut eine kurdische Kandidatin, die bereits Aufmerksamkeit beim Verfassungsschutz erregte, weil in der PKK-nahen Zeitung „Yeni Özgür Politika“ für sie Reklame gemacht wird. Spitzenkandidatin ist die Rechtsanwaltsfachangestellte Kristina Vogt, die erst seit drei Jahren Parteimitglied ist.

Bundespolitiker der Linken wehren Fragen nach den Querelen in Bremen mit dem Hinweis ab, wenigstens habe der Landesverband ein gutes Wahlprogramm. Doch auch die Wahlkampfhilfe aus dem Karl-Liebknecht-Haus in Berlin gestaltet sich kompliziert. Die Bundespartei gibt 200.000 Euro, doch in ihre Kampagnen wollen sich die Bremer Linken nicht hineinreden lassen. „Das ist dort alles sehr basisdemokratisch“, lästerte Gysi.

Wie schwer sich die Linkspartei in Bremen mit einer klaren Haltung tut, zeigte sich erst diese Woche – die Parteien wollten eine gemeinsame Stellungnahme initiieren, wonach es in dem Stadtstaat keine Boykottaufrufe gegen Israel geben soll. Anlass: Das Bremer Friedensforum hatte im März vor einem Supermarkt in Bremen zum Boykott von Früchten aus Israel und den besetzten Gebieten aufgerufen.

Die Linke verweigerte sich in einem Beschluss der gemeinsamen Initiative und begründete das in einer Erklärung mit 848 Worten. Zwar erinnere der Aufruf, keine Waren aus Israel zu kaufen, in Deutschland an die Nazi-Kampagne „Kauft nicht bei Juden“, weshalb der Landesverband ihn nicht unterstützt habe. Andererseits aber seien Boykottaufrufe gegen Staaten ein „friedliches Mittel der internationalen Zivilgesellschaft“. Boykottaktionen gegen Israel seien nicht antisemitisch.

Matthias Meisner

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