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Ein schräges Rücktrittsgerücht schüttelte die SPD am Wochenende durch. Parteichef Gabriel hat schnell klargestellt, dass er an Bord bleibt. Nun beginnt die Arbeit am Wahlprogramm.
© dpa

Werte-Debatte bei den Sozialdemokraten: Sigmar Gabriel geht mit der SPD ins Gericht

Miese Umfragen, unzufriedene Parteifreunde, eine Krankheit und ein böses Gerücht: SPD-Chef Gabriel steht unter Druck wie selten zuvor. Bei einer Konferenz in Berlin versucht er den Neustart.

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hat angesichts schlechter Umfragewerte für eine neue Aufbruchsstimmung in seiner Partei geworben. Die Sozialdemokraten wirkten bisweilen wie eine „emotional ermüdete Partei“ im Hamsterrad der Sozialreparatur, sagte der Vizekanzler bei einer SPD-Konferenz in Berlin. Es sei ein Alarmsignal, wenn nur noch 23 Prozent der Deutschen der SPD eine Kompetenz in sozialen Fragen zutrauen würden.

"Soziale Reformpartei zu sein - das ist der Stolz der SPD", sagte Gabriel, es reiche aber nicht länger, die historischen Leistungen der Partei zu beschwören. Seine Partei müsse sich ernsthaft fragen, ob sie den Gerechtigkeitshunger der Gesellschaft richtig wahrnehme. "Fehler zu machen ist nicht schlimm, sie nicht zuzugeben - das ist schlimm" sagt Gabriel und fügte hinzu: "Auch die SPD hat Fehler gemacht."

Kapitalertragssteuer soll wegfallen

Gabriel nutzte die Rede auch um konkrete politische Vorhaben anzukündigen. So will er in der kommenden Wahlperiode die Abgeltungsteuer abschaffen. Sollte seine Partei wieder in der Bundesregierung vertreten sein, „muss sie die Korrektur dieses Fehlers durchsetzen“, sagte er.  Die geltende Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge war vom früheren SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eingeführt worden. „Wie konnte das eigentlich einer Partei der Sozialdemokratie passieren?“, meinte Gabriel dazu. Mit der Union sei eine Abschaffung in der laufenden Koalition nicht zu ändern gewesen. Das zusätzliche Geld, das statt einer pauschalen durch eine individuelle Besteuerung nach dem Einkommensteuertarif hereinkommen würde, will Gabriel ins Bildungssystem stecken. 

Angesichts schlechter Umfragewerte wächst der Druck auf Gabriel seit Wochen. Am Sonntag hatten Äußerungen des „Focus“-Herausgebers Helmut Markwort, der SPD-Vorsitzende werde zurücktreten und der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Parteispitze übernehmen, für Aufregung gesorgt.

© Karikatur: Klaus Stuttmann

Viel Wirbel um angeblichen Rücktritt

Nach einer einwöchigen krankheitsbedingten Auszeit beeilte sich Gabriel, die Gerüchte zu zerstreuen. „Dass man in Deutschland nicht mal mehr krank werden darf als Politiker, ohne dass einer dummes Zeug erzählt, hat mich auch ein bisschen überrascht“, sagte er am Sonntag am Rande von Terminen in Stockholm dem Sender RTL. „Mark Twain hat, als es die Nachricht über seinen Tod gab, eine Anzeige veröffentlicht, dass die Nachricht über sein vorzeitiges Ableben deutlich übertrieben gewesen sei. Ähnlich ist es bei mir auch.“ 

Rückendeckung bekam der Parteichef unter anderem von SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. "Er ist ein sehr guter Vorsitzender und im Moment besteht überhaupt kein Grund, herumzuspekulieren", sagte sie am Montag dem Sender NDR. Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner lehnte personelle Konsequenzen angesichts der schlechten Umfragewerte am Montag ab. „Wir sind in der Vergangenheit nicht gut damit gefahren, solche Dinge immer über Personalrochaden zu lösen“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“.

Dennoch, dass derzeit einiges im Argen liegt bei den Sozialdemokraten beweist eine Wortmeldung des Berliner SPD-Fraktionschefs Raed Saleh. Von einem Rücktritt des Parteivorsitzenden wollte der Berliner zwar ebenfalls nichts wissen. Indirekt übte Saleh dennoch Kritik am Kurs des Parteichefs.

"Unabhängig von Personen muss die SPD zu sich zurückfinden, wir müssen uns selbst wieder wachrütteln", sagte er der "Berliner Morgenpost". Man dürfe es nicht allen recht machen wollen, sondern müsse für Standpunkte kämpfen, auch wenn es zunächst keine Mehrheitspositionen seien, sagte er. "Wir stehen an vielen Stellen am Scheideweg, da darf die SPD kein Zuschauer sein. Gerade jetzt werden wir gebraucht, der Gesellschaft droht eine Spaltung", sagte er weiter. (JCB mit dpa/AFP)

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