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Enttäuscht: Der erfahrene UN-Diplomat Lakhdar Brahimi.
© AFP

Syrien-Konferenz: Sieben Tage Gift und Galle

Auch dem erfahrenen Vermittler Lakhdar Brahimi gelang es in Genf nicht, Syriens Kriegsparteien anzunähern. Im Februar sollen die Gespräche fortgesetzt werden. Entscheidend könnte das Verhalten von Russland und den USA werden.

Ein bedrückter Lakhdar Brahimi verließ am Freitag den Verhandlungssaal im Genfer Völkerbundpalast. Seine Bemühungen, „Syrien zu retten“, sind zunächst gescheitert. Nach sieben Tagen Verhandlungen zwischen den verfeindeten Konfliktparteien konnte Brahimi nur eine Hoffnung eröffnen: Am 10. Februar sollen die Delegationen des Assad-Regimes und der oppositionellen Nationalen Koalition wieder in Genf zusammenkommen.

„Die Delegation der Opposition hat dem Datum zugestimmt“, sagte Brahimi. Doch der Außenminister der Assad-Regierung wollte sich nicht festlegen: Er könne noch nicht sagen, ob seine Delegation wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt oder nicht. Man müsse zunächst mit dem Präsidenten Baschar al-Assad beraten. Die Syrische Nationale Koalition vertrete nicht das syrische Volk. Vertreter des Widerstandes werteten die Drohung als weitere Verzögerungstaktik des Regimes. Die Parteien hatten seit Samstag vergangener Woche über humanitäre Hilfe für die syrische Bevölkerung, über Gefangenenaustausch und über die Bildung einer Übergangsregierung gesprochen. „Die Kluft zwischen beiden Seiten bleibt groß“, erklärte Brahimi.

Syrien-Vermittler Brahimi: Charmant, nüchtern, unsentimental

An ihm dürfte das wohl kaum gelegen haben: Mitarbeiter, die Brahimi seit Jahrzehnten kennen, schildern ihn als charmant, nüchtern und unsentimental. In Algerien geboren, erlebte er den brutalen Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich am eigenen Leibe mit. Später, von 1991 bis 1993, war er Außenminister seines Landes. Das Syrienmandat übernahm er im August 2012 von Kofi Annan, der nach sechs Monaten entnervt aufgegeben hatte. Er fahre lieber auf Sicht, er suche während der Gespräche nach der weiteren Richtung, gab Brahimi einmal als Motto seiner Verhandlungsstrategie an.

Seit drei Jahren tobt in Syrien ein blutiger Konflikt

Flexibilität, Klarheit und Improvisationskunst haben ihm bei früheren Missionen den Ruf eines fähigen Maklers eingetragen – in Haiti, in Südafrika, im Jemen, in Afghanistan, im Irak sowie bei der Beendigung des libanesischen Bürgerkriegs vor 15 Jahren. Doch der Syrienkonflikt, die wohl letzte Aufgabe des betagten UN-Diplomaten, könnte auch seine Verhandlungskunst überfordern. Zu viele Interessen und Mächte sind im Spiel – und wichtige Beteiligte haben nach wie vor kein Interesse am Ende der Kämpfe. „Vermittlungen sind ein langatmiges Geschäft“, sinnierte der 80-Jährige einmal im Rückblick auf seine facettenreiche Karriere. Sein Vorgehen werde oft als zu langsam kritisiert. „Aber ich denke, besser langsam fahren als abstürzen.“ Diplomaten in Genf betonten nun: Es sei überhaupt ein Erfolg, dass die syrischen Todfeinde so lange zusammen verhandelt hätten. Denn immerhin liegen zwischen ihnen fast drei Jahre blutigen Konflikts: Schätzungsweise 130 000 Männer, Frauen und Kinder starben, neun Millionen Syrer sind auf der Flucht, grausame Kriegsverbrechen wie Attacken mit Giftgas wurden verübt, große Teile des Landes sind verwüstet.

Wie groß die Gegensätze noch immer sind, zeigte sich bei keinem anderen Thema so krass wie in der Frage der Übergangsregierung. Diese Kernforderung des Widerstandes basiert auf der Erklärung der ersten internationalen Syrienkonferenz von Genf im Jahr 2012 (Genf-1). Brahimi und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnen die Beschlüsse von 2012 als Basis der jetzigen Friedensverhandlungen. „Wir bestehen auf der Bildung einer Übergangsregierung“, sagte das Delegationsmitglied der Syrischen Nationalen Koalition, Louay Safi. „Wir sind hier in Genf, um den Übergang von der Diktatur zur Demokratie einzuleiten.“ Die neue Regierung solle im gegenseitigen Einvernehmen gebildet werden. Präsident Bashar al-Assad und andere Mitglieder seines Regimes, an deren Händen Blut klebt, sollten aber keinen Posten erhalten.

Assads Kalkül

Das Assad-Regime versprach zwar, die Erklärung von Genf-1 „Paragraf für Paragraf“ durchzugehen. Nur: Von konkreten Verhandlungen über die Übergangsregierung wollen die Assad-Gesandten nichts wissen. „Es gibt da nichts, was Übergangsregierung heißt“, betonte Bouthaina Schaaban, Beraterin des Machthabers Assad. Die Vertraute des Herrschers sprach stattdessen von einer „Regierung der nationalen Einheit“. Darin, so ihr Kalkül, müssten auch der amtierende Präsident und seine Gefolgsleute ihren Platz finden – für die Opposition unannehmbar.

Wer soll diesen Gegensatz überbrücken? Vermittler Brahimi sieht vor allem Amerikaner und Russen in der Pflicht. Washington müsste auf den syrischen Widerstand mäßigend einwirken, Moskau sollte das verbündete Assad-Regime zu Konzessionen drängen. Schon auf der Sicherheitskonferenz in München sprachen die Außenminister John Kerry (USA) und Sergej Lawrow (Russland) über die weitere Strategie. In der nächsten Woche dann will sich der Präsident der Syrischen Nationalen Koalition, Ahmad Dscherba, nach Moskau aufmachen.

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