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Sri Lanka, Colombo: Sicherheitskräfte sperren eine Straße ab. Zwei Tage nach der Serie von Selbstmordanschlägen auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka ist die Zahl der Todesopfer auf 310 gestiegen.
© kyodo/dpa

„Leichter Leute zu finden, die Anschläge begehen”: Sicherheitskreise warnen vor Spirale des Terrors

Sri Lanka als Reaktion auf Christchurch: Deutsche Sicherheitsexperten sehen die Gefahr, dass sich rechter und islamistischer Terror aufschaukeln.

Die Sorgen der Sicherheitsbehörden in Deutschland und weltweit nach dem Angriff auf Moscheen in Neuseeland scheinen sich zu bestätigen. Die Anschläge auf Kirchen und Luxushotel in Sri Lanka sind offenbar die Rache  von Islamisten für das Massaker des Rechtsextremisten Brenton Tarrant vom März. Erste Ermittlungsergebnisse zeigten, „dass das, was in Sri Lanka passiert ist, Vergeltung für den Angriff auf Muslime in Christchurch war“, sagte der Vizeverteidigungsminister des Inselstaates, Ruwan Wijewardene, am Dienstag im Parlament in Colombo.

Für die Anschläge vom Ostersonntag seien die islamistischen Gruppierungen National Thowheeth Jama’ath und Jammiyathul Millathu Ibrahim verantwortlich. Bei dem Terrorangriff starben 320 Menschen, mehr als 500 wurden verletzt. Ein Todesopfer ist ein Deutsch-Amerikaner.

Deutsche Sicherheitskreise hatten nach dem Anschlag in Neuseeland gewarnt, „das Aufschaukeln zwischen Rechtsextremisten und Islamisten“ könnte noch stärker werden. Der Australier Tarrant hatte am 15. März in zwei Moscheen 50 Menschen erschossen, aus Hass auf den Islam. Kurz darauf rief ein Sprecher der Terrormiliz „Islamischer Staat“ im Internet zu Vergeltung auf. Das Töten in den zwei Moscheen sollte die Anhänger des Kalifats aufwecken, im Namen ihrer Religion Rache zu nehmen, verkündete Shayk Abul-Hasan al-Muhajir in einer Audiobotschaft. Mit Kalifat ist der IS gemeint.

Große Gefahr einer Wechselwirkung

Unterdessen bekannte sich am Dienstag der IS zu den Anschlägen in Sri Lanka. Die Kämpfer, die Christen angegriffen hätten, seien vom IS, gab die IS-Medienagentur Amaq bekannt. Deutsche Sicherheitskreise sagten, die Bekennung werde geprüft. Meistens habe es gestimmt, was Amaq meldete.

Sicherheitskreise halten es für möglich, dass ehemalige IS-Kämpfer aus Sri Lanka oder Indien an dem Angriff vom Ostersonntag beteiligt waren. Aus Sri Lanka waren mehr als 30 Islamisten nach Syrien zur Terrormiliz IS gereist. Wie viele zurückgekehrt sind, ist unklar.

Die Gefahr einer „Wechselwirkung“ sei groß, hieß es am Dienstag in deutschen Sicherheitskreisen. Der Anschlag in Neuseeland sei offenbar „ein Funke“ für radikalisierte Muslime. Nach so einem Massaker sei es für islamistische Gruppierungen einfacher, „Leute zu finden, die Anschläge zu begehen und sich auch als Selbstmordattentäter zur Verfügung stellen“. Andererseits sei der zeitliche Abstand zwischen dem Angriff in Neuseeland und den Anschlägen in Sri Lanka eher gering. Womöglich habe die NTJ schon vor der Attacke von Brenton Tarrant geplant, in Sri Lanka zuzuschlagen und sich durch das Blutbad in Christchurch erst recht animiert gefühlt, Christen und mutmaßlich ungläubige Touristen anzugreifen.

Indischer Geheimdienst warnte vor Anschlägen

Den Sicherheitsbehörden in Sri Lanka war die Gefahr bekannt. Ein ausländischer Geheimdienst, mutmaßlich ein indischer, hatte Anfang April vor Selbstmordanschlägen der Gruppierung National Thawheed Jama’at (NTJ) auf Kirchen in Colombo gewarnt.  In einem Vermerk vom 11. April notierte  dann ein hochrangiger srilankischer Polizeibeamter die Informationen und schrieb auch, nach dem Massaker in Neuseeland gebe es in der Kommunikation zwischen dem Anführer der NTJ und einem Anhänger in den sozialen Medien „hate speech“ (Hassparolen) gegen Nicht-Muslime. Der Hinweis ging an mehrere Regierungsbehörden, dennoch gab es keine Schutzmaßnahmen für Kirchen in Sri Lanka. Ein möglicher Grund für die Sicherheitsversäumnisse sind die Spannungen zwischen Staatspräsident Maithripala Sirisena   und Premierminister Ranil Wickremesinghe. Der Erzbischof von Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, reagierte entsetzt. Man könne sich nur an den Kopf fassen, wenn man sich klar mache, dass all diese Opfer hätten verhindert werden können, sagte Ranjith am Montag in Colombo.

Die Sicherheitsbehörden in Sri Lanka und international prüfen, ob die NTJ und die Jammiyathul Millathu Ibrahim (JMI) in Verbindung zu einem der großen islamistischen Terrornetzwerke stehen. Als möglicher Unterstützer der eher kleinen Gruppierungen NTJ und JMI komme auch die pakistanische Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT) in Frage, sagten Sicherheitskreise. Die LeT hat schwere Anschläge in Indien verübt. Der größte war der Angriff im November 2008 auf die Metropole Mumbai. Ein islamistisches Kommando attackierte zwei Luxushotels, einen Bahnhof, ein Restaurant, eine jüdische Einrichtung und ein Krankenhaus. Erst nach tagelangen Gefechten konnten die Sicherheitskräfte den Angriff beenden. Mehr als 170 Menschen wurden von den Terroristen getötet.

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