Sebastian Edathy: Showdown für die SPD-Spitze
Der wegen des Besitzes von Kinderpornografie angeklagte Sebastian Edathy hat nichts mehr zu verlieren. Für Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann wird sein Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss umso gefährlicher. Ein Kommentar
Von wegen stumpfe Waffe. Der Untersuchungsausschuss zur Affäre um den Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy (SPD) könnte sich als extrem scharfes Werkzeug herausstellen. Kaum einer wollte diesen Ausschuss – jetzt kommt es dort an diesem Donnerstag zum Showdown. Die Schlüsselfigur Edathy, die bereits im Vorfeld durch die Veröffentlichung brisanter SMS im "Stern" für Aufsehen sorgt, wird auftreten, genau wie Michael Hartmann, einer der wichtigsten Zeugen in diesem Fall.
Dabei ging und geht es gar nicht um Edathy selbst. Das mag für ihn, der im Verdacht steht, kinderpornografisches Material besessen zu haben und der sich seit Monaten in der Rolle des Opfers suhlt, bitter klingen. Aber es steht viel mehr auf dem Spiel – die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt und der Zusammenhalt der Koalition. Beides zusammen macht den Fall zu einer Staatsaffäre. Um Glaubwürdigkeit geht es deshalb, weil der Verdacht der Strafvereitelung im Raum steht – verübt möglicherweise von Volksvertretern. Wurde Edathy tatsächlich über Ermittlungen gegen ihn aus der SPD informiert, würde das einen erheblichen Vertrauensverlust in die Politik nach sich ziehen. Es entstünde der Eindruck, dass Politik und Justiz nicht unabhängig sind, sondern auf kurzem Dienstweg miteinander kommunizieren.
Es gab eine ganze Reihe hochkarätiger Sozialdemokraten, die Kenntnis von den Vorgängen hatten – angefangen bei SPD-Chef Sigmar Gabriel selbst. Oder dem heutigen Fraktionschef Thomas Oppermann, der genau wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier von Gabriel informiert worden war. Der Abgeordnete Michael Hartmann sollte sich – beauftragt von Oppermann im Herbst 2013 – um Edathy kümmern, weil dessen Gesundheitszustand besorgniserregend gewesen sei. Über die Kinderporno-Ermittlungen wurde er angeblich nicht aus der SPD heraus informiert – weder von Hartmann noch von Oppermann noch von sonst irgendwem. Glaubhaft ist das, wie vieles andere in dieser Affäre auch, nicht.
Die CSU hat Friedrichs Rücktritt nicht vergessen
Die Koalition wiederum stand von Beginn an im Fokus. Warum hat Hans-Peter Friedrich (CSU), damals Innenminister, Gabriel über die Ermittlungen informiert, was er später mit dem Rücktritt als Minister bezahlen musste? Doch nicht um Edathy zu schützen, sondern um das Zustandekommen der großen Koalition im Herbst 2013 nicht zu belasten. Und warum gab Gabriel die Informationen an Steinmeier und Oppermann weiter? Doch nicht aus Freundlichkeit. Warum spricht Oppermann mit dem damaligen BKA-Chef Jörg Ziercke und stiftet ihn fast zum Geheimnisverrat an? Um einen wie Edathy, der trotz seiner Verdienste im NSU-Untersuchungsausschuss kein sonderlich gutes Standing in der Fraktion hatte, zu schützen? Wohl kaum.
Es kann alles ein großer Bluff von Edathy sein, der in Sachen Glaubwürdigkeit alles andere als beispielgebend ist. Aber er ist vor allem für die SPD gefährlich, weil er in der deutschen Öffentlichkeit und erst recht in seiner Partei nichts mehr zu verlieren hat. Der gegenseitige Wille, sich in der großen Koalition zu stützen, ist nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor einem Jahr. Im Gegenteil. In der CSU hat man nicht vergessen, dass der Rücktritt Friedrichs vor allem auf das Konto der SPD ging. Sollten Informationen zu den Ermittlungen aus der SPD-Spitze ihren Weg zu Edathy gefunden haben, dann wird der Rücktritt Friedrichs nicht der letzte gewesen sein.