Kosovo: "Serbien muss sich endlich entscheiden"
Enver Hoxhaj, der Außenminister des Kosovo, erklärt im Interview, was er von den Verhandlungen zwischen Pristina und Belgrad erwartet.
Herr Minister, die Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo über die Normalisierung der Beziehungen sind gescheitert. Wie geht es nun weiter?
Wir waren sehr überrascht, dass Belgrad das von Brüssel vermittelte Abkommen in toto abgelehnt hat. Es war ja das Ergebnis mehrerer Gesprächsrunden und kam für Serbien nicht überraschend. Jetzt müssen wir ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, das Abkommen doch noch zu unterzeichnen. In Belgrad herrschen derzeit aber unklare Machtverhältnisse. Die Frage ist, wer entscheidet und wer ist imstande, Verantwortung zu übernehmen?
Wie sehen Sie das?
In unseren Verhandlungen haben wir sehr gut mit Serbiens Premierminister Ivica Dacic zusammengearbeitet. Er hat versucht, eine konstruktive Haltung einzunehmen. Die Verantwortung für das Scheitern des Abkommens liegt aus meiner Sicht bei Serbiens Präsident Tomislav Nikolic.
Insgesamt hat die serbische Regierung seit ihrem Antritt aber doch an Sympathie gewonnen.
Die Mitglieder der neuen serbischen Regierung versuchen, über eine offene Rhetorik einen positiven Eindruck zu vermitteln. Man darf aber nicht vergessen, dass die meisten eine sehr belastete Vergangenheit haben. Sie haben in den Kriegen der Neunzigerjahre eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Und die Tatsache, dass Präsident Nikolic das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag in einer Rede vor den Vereinten Nationen als Inquisition bezeichnet hat, zeigt, dass er noch immer in der Vergangenheit lebt. Die Elite in Belgrad muss sich endlich für ein europäisches Serbien entscheiden.
Serbien besteht darauf, dass die Serben im Norden des Kosovo eigene Sicherheitskräfte und eine eigene Justiz behalten können. Was ist ihr Standpunkt?
Wir haben uns mit der Unabhängigkeit 2008 dazu verpflichtet, den Minderheiten im Kosovo Rechte zu gewähren, die keine andere Minderheit in Europa genießt. Dazu gehört, dass der örtliche Polizeikommandant von den Gemeinden selbst ernannt wird. Auch lokale Justizstrukturen sind vorgesehen. Belgrad will jedoch für die Serben im Norden eine eigene exekutive und legislative Entität, also eine Art Republika Srpska schaffen. Das ist für uns und auch für die EU nicht akzeptabel, denn es widerspricht den europäischen Prinzipien von Multiethnizität und Integration. Die Erfahrung in den anderen Teilen des Kosovo zeigt außerdem, dass wir imstande sind, Minderheiten zu integrieren. Sie sind Teil der lokalen Verwaltung und auch im Parlament vertreten. Kurz: Sie sind Teil unseres institutionellen und wirtschaftlichen Lebens. Warum sollten wir also einer separaten Entität im Norden zustimmen?
Dacic bringt immer wieder auch einen Gebietstausch ins Spiel. Er behauptet, Ihre Regierung sei dem ebenfalls nicht abgeneigt. Stimmt das?
Alle Lösungsvorschläge aus Belgrad zielen auf eine ethnische Teilung des Kosovo. Serben und Albaner leben aber seit Jahrhunderten gemeinsam im Kosovo. Eine Teilung würde von anderen Minderheiten in der Region zudem als Modell hergenommen. Ein Dominoeffekt wäre die Folge und möglicherweise auch eine neue Welle der Gewalt auf dem Balkan. Deshalb haben sich alle Akteure, die EU ebenso wie die USA, in den vergangenen 20 Jahren dafür eingesetzt, multiethnische Gemeinschaften auf dem Balkan aufzubauen.
Dacic behauptet, Washington würde Druck auf Pristina ausüben, um einen Gebietstausch zu verhindern.
Wir haben eine sehr spezielle Beziehung zu den USA, Sie können aber sicher sein, dass alle Entscheidungen in Pristina von einer souveränen Regierung getroffen werden.