zum Hauptinhalt
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD)
© Jens Büttner/dpa

Umstrittener Einsatz für Nord Stream 2: „Schwesig war eine russische Werbeikone“

Mecklenburg-Vorpommern wickelt seine bisherige Russlandpolitik ab. Und Regierungschefin Manuela Schwesig steht in der Kritik.

Erst mit zwei Stunden Verspätung konnte die Sitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern am Dienstag starten. Auf Antrag der Oppositionsparteien CDU, Grüne und FDP sollte das Parlament im Schweriner Schloss über Russlands Krieg gegen die Ukraine und „Konsequenzen für die Landespolitik“ diskutieren. Für Mecklenburg-Vorpommern ist dies ein schwieriges Thema, denn kein anderes Bundesland hat in den vergangenen Jahren derart engmaschige Kontakte nach Russland geknüpft.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen]

Bis zur letzten Minute und weit darüber feilten deshalb die Regierungsfraktionen SPD und Linke mit CDU, Grünen und FDP an einem gemeinsamen Antrag, mit dem Mecklenburg-Vorpommerns bisherige Russlandpolitik abgewickelt wird.

Die umstrittene „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ soll nach Möglichkeit aufgelöst werden. Denn diese war nur gegründet worden, um die Pipeline Nord Stream 2 vor US-Sanktionen zu schützen. Hauptfinanzier der Stiftung ist mit 20 Millionen Euro das Unternehmen Nord Stream 2, das dem russischen Energiekonzern Gazprom gehört.

Kritiker hatten seit längerer Zeit darauf hingewiesen, dass die Fertigstellung der Pipeline eine größere russische Aggression gegen die Ukraine wahrscheinlicher machen würde, weil der Kreml dann nicht mehr auf die ukrainische Leitung angewiesen wäre.

Bisher hatte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sowohl die Pipeline als auch die Stiftung gegen Kritiker verteidigt. In der vergangenen Woche stoppte die Bundesregierung dann das Pipeline-Projekt vorerst.

Auch den „Russlandtag“ soll es nicht mehr geben

Mecklenburg-Vorpommern schafft zudem den „Russlandtag“ ab, ein bilaterales Wirtschaftsforum, das zum ersten Mal 2014 stattfand, also nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Moskau und der russischen militärischen Intervention in der Ostukraine. Trotz zahlreicher Forderungen nach einer Absage des Treffens hielt der damalige Schweriner Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) am Russlandtag fest, Hauptredner war damals Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), der als einer der wichtigsten Türöffner Russlands in Deutschland gilt.

Gesponsert wurden die Russlandtage von Nord Stream 2 und weiteren Firmen, denen der Bau der Pipeline nützt. „Es wird auf absehbare Zeit keine Russlandtage in Mecklenburg-Vorpommern mehr geben“, kündigte Schwesig nun an.

Außerdem bat die Ministerpräsidentin den Verein Deutsch-Russische Partnerschaft darum, „seine Arbeit ebenfalls ruhen zu lassen“ – ein eher ungewöhnlicher Schritt, da es sich um einen privaten Verein handelt. Die „Deutsch-Russischen Partnerschaft“, deren Gründer Schwesigs Amtsvorgänger Sellering ist, wurde mit 600.000 Euro aus Landesmitteln ausgestattet, im Vergleich zu anderen Vereinen eine ziemlich hohe Summe.

[Mecklenburg-Vorpommern und die Pipeline: Die Russland-Connection - Lesen Sie bei Tagesspiegel Plus mehr über die überaus enge Verflechtung mit Russland.]

Zeitweise war die neue Klima-Stiftung an derselben Adresse untergebracht wie der Verein, in dessen Vorstand Nord Stream 2 ebenfalls vertreten ist. Beide – Stiftung und Verein – stehen für die außergewöhnlich enge Verflechtung der Landesregierung mit dem Energieprojekt Nord Stream 2.

Schwesig fühlt sich diskreditiert

Wegen dieser Verbindungen steht Schwesig nun selbst in der Kritik, vor allem in den sozialen Netzwerken. An der Landtagsdebatte am Dienstag konnte die Ministerpräsidentin aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen, sie meldete sich am Vortag auf Facebook zu Wort: „In den letzten Tagen ist immer wieder versucht worden, die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern als ,Putin-Freunde’ oder ,Putin-Versteher’ zu diskreditieren“, schrieb Schwesig. „Ich will sehr deutlich sagen: Das ist Unsinn. Ich habe niemals ein Gespräch mit Präsident Putin geführt oder sein Vorgehen gegen die Ukraine unterstützt.“

Mehr zum russischen Angriff auf die Ukraine:

Diese Erklärung mache ihn sprachlos, sagte Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow in der Landtagsdebatte. „Die Wahrheit ist: Bis vor zwei Wochen war Manuela Schwesig eine russische Werbeikone.“ Es fehle ihr an Scham und Reue. Liskow verwies darauf, dass es durchaus Warnungen vor Putin gegeben habe. Die Landesregierung sei „bestenfalls leichtgläubig“ gewesen. „Niemand hat das Land Mecklenburg-Vorpommern zum Russlandtag gezwungen, das war der Wunsch von Herrn Sellering.“ Es sei auch ein Fehler seiner Fraktion gewesen, dem Russlandtag nicht „beherzt“ widersprochen zu haben, sagte der CDU-Politiker.

Opposition fordert Aufklärung

Auch der Errichtung der Stiftung hatte die CDU zugestimmt, obwohl sie zu dem Zeitpunkt in der Opposition war. Dies sei „kurzsichtig und zu gutgläubig“ gewesen, sagte Liskow im Landtag. So war es nur noch die AfD, die am Dienstag die Stiftung und den Russlandtag, zwei von der Landesregierung angestoßene Projekte, verteidigte.

CDU, FDP und Grüne fordern nun von der Regierung in Schwerin umfassende Aufklärung. Der FDP-Fraktionschef René Domke sprach mit Blick auf die angebliche Klima-Stiftung von einem „Höchstmaß an Intransparenz und Verschleierung“. Der Landesregierung warf er „Täuschungsmanöver“ sowie „Verbindungen in die Machtclique von Putin“ vor. Die Grünen-Abgeordnete Anne Shepley ging noch einen Schritt weiter und sagte über Schwesig, „dass auch sie die Tür zu diesem Krieg ein Stück weit geöffnet hat“.

Widerstand gegen Schwesigs Pläne kamen aus unerwarteter Richtung. Gegen eine vollständige Auflösung der Stiftung stemmt sich deren Vorsitzender Sellering. Schwesig will prüfen, ob die Stiftungsmittel für „humanitäre Zwecke“ eingesetzt werden können. 20 Millionen Euro von Nord Stream 2 für Kriegsopfer in der Ukraine? Das Stiftungsvermögen einem anderen Zweck zuzuführen, sei „rechtlich ausgeschlossen“, teilte Sellering mit.

Zur Startseite