Rabbiner rügen Beschneidungsurteil: „Schwerster Angriff seit dem Holocaust“
Europas Rabbiner sind empört über das Kölner Beschneidungsurteil - und unterstreichen ihre Kritik mit einem drastischen Vergleich. Bildungsministerin Schavan und Menschenrechtler verteidigen das Ritual.
Die Konferenz Europäischer Rabbiner hat das Kölner Urteil zur Beschneidung als schwersten Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust bezeichnet: „Ein Verbot der Beschneidung stellt die Existenz der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland infrage“, sagte ihr Präsident Pinchas Goldschmidt. „Sollte das Urteil Bestand haben, sehe ich für die Juden in Deutschland keine Zukunft.“
Goldschmidt verwies auf das Schächtverbot der Nationalsozialisten. Es sei ein Zeichen für viele Juden gewesen, „wir müssen weg aus Deutschland“, sagte der Rabbiner. Ein Beschneidungsverbot wäre angesichts der Bedeutung dieses Brauchs ein viel stärkeres Zeichen. Er gehe jedoch davon aus, dass die Beschneidung von Knaben aus religiösen Gründen gesetzlich in der Bundesrepublik verankert wird. Das Kölner Urteil hat seit seinem Bekanntwerden vor zwei Wochen Juden wie auch Muslime verunsichert und empört. Für beide Religionen ist die Entfernung der Vorhaut des Penis religiöse Praxis. In Köln ging es um Komplikationen nach dem Eingriff bei einem kleinen Sohn muslimischer Eltern. Das Landgericht hatte den beschneidenden Arzt zwar nicht verurteilt, aber festgestellt, dass die Entfernung der Vorhaut aus ausschließlich religiösen Gründen Körperverletzung und damit strafbar sei.
Video: Keine Zukunft für Juden in Deutschland?
Die Grünen und der migrationspolitische Sprecher der FDP, Serkan Tören, wollen nun ein Gesetz, das Beschneidung grundsätzlich erlaubt. Als erstes Regierungsmitglied verteidigte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) das Ritual. „Wir dürfen uns nicht angewöhnen, erlaubt sei nur das, was allen plausibel erscheint“, sagte die praktizierende Katholikin. Was manchen nicht einleuchte, „ist anderen heilig“.
Die deutschen Ärzte sind in der Frage gespalten
Die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, kritisierte „Simplifizierungen in der Debatte“. Während die eine Seite die Schwere des Eingriffs durch eine Beschneidung einfach leugne, setze die andere die Religionsfreiheit pauschal hintan, sagte sie dem Tagesspiegel. Es müssten aber „drei Rechte miteinander abgewogen werden“, das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, darauf, in einer religiösen Gemeinschaft aufzuwachsen – als Teil der Religionsfreiheit – und das religiöse Erziehungsrecht der Eltern. „Im Kölner Urteil und teilweise in der öffentlichen Debatte wird die zentrale religiöse Bedeutung der Beschneidung leider nicht gesehen.“ Zwar sei Beschneidung ohne Betäubung oder medizinische Fachkenntnis menschenrechtlich nicht hinnehmbar, auch sei zu prüfen, ob sie Traumatisierungen oder andere Spätfolgen habe: „Jenseits dessen hat der Staat Beschneidung angesichts ihrer Bedeutung für Juden wie Muslime zu akzeptieren.“
Die deutschen Ärzte sind in der Frage gespalten. Die Bundesärztekammer riet wegen der unklaren Rechtslage von Beschneidungen vorerst ab. Auch die Berliner Kammer empfiehlt dies ihren Mitgliedern. Der Vorstand werde das Thema auf der nächsten Sitzung im August besprechen, sagte Ärztekammer-Sprecher Sascha Rudat. Niedersachsens Hartmannbund hält religiöse Beschneidungen dagegen bis zur höchstrichterlichen Klärung für zulässig.
Andrea Dernbach
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