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Polizisten stehen am 08.07.2017 in Hamburg im Schanzenviertel vor einem geplünderten Supermarkt.
© dpa/Daniel Bockwoldt

Rund um G20-Gipfel: Schwere Krawalle und Plünderungen in Hamburg

In Hamburg sind Proteste erneut in schwere Krawalle ausgeufert. Die Polizei griff nach langem Warten mit Spezialkräften durch. Beim G20-Gipfel selbst wird am Samstag um echte Ergebnisse gerungen.

Nach einer Nacht mit Krawallen und Plünderungen geht der G20-Gipfel in Hamburg in den zweiten und letzten Tag. Eine Einigung in wichtigen Streitfragen wie Klimaschutz oder freier Welthandel ist ungewiss. Schon die Diskussionen am Freitag zeigten, dass die führenden Wirtschaftsmächte wegen der Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump tief gespalten sind. Angesichts der Gewaltszenen auf der Straße gab es Kritik daran, das Spitzentreffen der Wirtschaftsmächte in einer Millionenstadt wie Hamburg abzuhalten.

Schanzenviertel lodert, Polizei setzt Tränengas und Wasserwerfer ein

Im Hamburger Schanzenviertel eskalierten die Proteste am späten Freitagabend: Geplünderte Geschäfte, brennende Barrikaden, Wasserwerfer und Tränengas. Zunächst konnten Randalierer mehrere Stunden lang in der Straße Schulterblatt frei gewähren. Ein Laden der Drogerie-Kette Budnikowsky und ein Rewe-Supermarkt wurden geplündert. Danach ging die Polizei mit einem massiven Aufgebot und Spezialkräften gegen mehrere hundert Randalierer vor. Mit gepanzerten Fahrzeugen wurden Barrikaden weggeschoben. Wasserwerfer waren im Einsatz. Die Polizei sprühte auch Tränengas.

Im Laufe der Nacht beruhigte sich die Lage. Vereinzelt kam es in den frühen Morgenstunden noch zu Flaschenwürfen auf Polizeifahrzeuge. Der zuvor eingestellte S-Bahn-Betrieb und der Bahn-Fernverkehr liefen wieder an. Die Randalierer hinterließen im Schulterblatt aber eine Spur der Verwüstung. Es roch nach verbranntem Plastik. Steine, Trümmer, zerstörte Fahrräder und Mülltonnen lagen auf der Straße.

Unterstützer der G20-Gegner dementierten eine Erstürmung des Kulturzentrums Rote Flora im Schanzenviertel durch die Polizei. Es befinde sich kein Polizist in dem Gebäude, sagte ein Mitglied des sogenannten Legal Teams der Deutschen Presse-Agentur. Die Anwälte unterstützen Protestler. Die seit fast 30 Jahren besetzte Rote Flora gilt bundesweit als eines der wichtigsten Zentren der autonomen Szene. Bei den Krawallen wurden nach Polizeiangaben vom Freitagabend 197 Beamte verletzt, darunter seien keine Schwerverletzten.

Zur Zahl der verletzten Demonstranten konnten weder Polizei noch Feuerwehr Angaben machen. Ein Feuerwehrsprecher sagte, die Demonstranten hätten eigene Sanitäter dabei, so dass sie in vielen Fällen nicht auf fremde Hilfe angewiesen seien. Bei der Erstürmung eines Hauses am Beginn der Straße Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel nahm die Polizei 13 Personen fest. Spezialkräfte hätten das Gebäude „taktisch betreten und gesichert“, hieß es am frühen Samstagmorgen. Zuvor waren Randalierer ein Gerüst hinaufgeklettert, das an dem Haus befestigt ist.

G20-Gipfel: Trump und Putin im Mittelpunkt

Beim eigentlichen Gipfel sollten die Zuarbeiter der Staats- und Regierungschefs über Nacht versuchen, ein Abschlusspapier abzustimmen. In den zwei letzten offiziellen Gipfelrunden geht es am Samstag um eine engere Partnerschaft mit Afrika, Migration, Gesundheit und bessere Entwicklungschancen für Frauen. Danach will Merkel als Gastgeberin vor der Presse ihre Bilanz des Gipfels ziehen. Das greifbarste Ergebnis des Freitags wurde nicht bei den Gipfelberatungen, sondern am Rande von Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erzielt. Sie kündigten an, sie wollten in Syrien nach sechs Jahren Bürgerkrieg mit hunderttausenden Toten gemeinsam eine Waffenruhe im Südwesten des Landes durchsetzen.

Die Feuerpause, an der auch Jordanien beteiligt sei, solle am Sonntag beginnen, sagte US-Außenminister Rex Tillerson in Hamburg. Mit der Einigung sind die USA zum ersten Mal seit fast einem Jahr wieder Teil eines offiziellen Abkommens, um die Gewalt im kriegsgeplagten Syrien zu verringern - und erstmals überhaupt seit Beginn der Präsidentschaft Trumps. Ein hoher Offizieller des US-Außenministeriums räumte aber am Freitag in Washington ein, dass noch ungeklärt sei, wie der Waffenstillstand überwacht werden soll.

In Hamburg werden am Samstag nach zwei von Gewalt geprägten Tagen weitere Ausschreitungen nicht ausgeschlossen. Zugleich sind friedliche Kundgebungen mit zehntausenden Teilnehmern geplant. Die Initiative „Hamburg zeigt Haltung“ erwartet 20 000 bis 30 000 Demonstranten bei ihrer Veranstaltung (12.00 Uhr), die am Hafenrand entlang bis zum Fischmarkt führen wird. Sie endet mit einem Abschlussfest für Demokratie und Menschenrechte (14.00 Uhr), auf dem der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio und die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan sprechen werden. Hinter „Hamburg zeigt Haltung“ steht ein breites Bündnis von Kirchen und Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, SPD, Grünen und Künstlern. Sie setzen sich gegen Intoleranz und Gewalt ein.

"Sicherheitslage viel schwerer zu kontrollieren"

Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigte unterdessen die Entscheidung der Bundesregierung, den G20-Gipfel mitten in der Millionenstadt Hamburg abzuhalten. Wenn man Teilnehmer und Medienvertreter zusammenrechne, sei man bei 10 000 Menschen, sagte der CDU-Politiker am Freitagabend in den ARD-„Tagesthemen“. „Die müssen untergebracht werden. Und das geht ja nur in einer großen Stadt, die die entsprechenden Kapazitäten hat.“ Schäuble rechtfertigte die Gipfel-Treffen: Die „Führer der großen Staaten“ müssten regelmäßig persönlich miteinander reden, dies sei „richtig, nützlich und notwendig“.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl kritisierte indes die Entscheidung, das Spitzentreffen in die Hansestadt zu vergeben. „Man hätte den G20-Gipfel nie in einer Millionenstadt wie Hamburg veranstalten dürfen. Die Sicherheitslage ist dort viel zu schwer zu kontrollieren“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster forderte die Schließung bekannter Zentren der linken Szene. „Linke Zentren wie die „Rote Flora“ in Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin müssen konsequent dichtgemacht werden“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag). (dpa)

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