Keine Anklage gegen Polizisten: Schwere Krawalle in Ferguson
Die Entscheidung gegen einen Prozess im Tod eines schwarzen Jugendlichen durch Polizeischüsse führt in Ferguson zu Gewalt. Gebäude stehen in Flammen, Läden werden geplündert. Auch in anderen US-Städten kommt es zu Protesten.
Robert McCulloch, der Staatsanwalt des St. Louis Countys, spricht: Es ist 20.20 Uhr, als die Worte fallen, von denen jeder weiß, dass sie in die Geschichte eingehen werden. "No indictment": Keine Anklage. Seitdem steht Ferguson erneut in Flammen.
Am 9. August hatte der weiße Polizist Darren Wilson den schwarzen Teenager Michael Brown in der US-Kleinstadt Ferguson (Bundesstaat Missouri) erschossen. Am Montagabend entschied die Grand Jury, eine vorgerichtliche Instanz, dass der Beamte nicht angeklagt wird. Das wurde während der Pressekonferenz von McCulloch bekanntgegeben.
Wie schon direkt nach dem Tod des 18-Jährigen im August kam es daraufhin zu schweren Ausschreitungen. Die Unruhen griffen auch auf andere Städte über. Proteste seien auch aus New York, Chicago und der Bundeshauptstadt Washington sowie aus Oakland in Kalifornien und Philadelphia gemeldet worden, berichtete der Sender NBC.
Schüsse, Rauchbomben - der Luftraum wurde geschlossen
In Ferguson warfen Demonstranten mit Flaschen und Ziegelsteinen auf Polizeifahrzeuge und schaukelten Streifenwagen, bis sie umkippten. Auch mehrere Autos brannten. Schwere Rauchwolken standen über der Stadt, Flammen schossen in den nächtlichen Himmel. Mindestens vier Menschen wurden festgenommen. Demonstranten zerschlugen zudem Schaufensterscheiben. Laut CNN wurden im Laufe der Nacht mindestens 15 Schüsse gehört. Nach einem Bericht der Zeitung „St. Louis Post-Dispatch“ wurde ein Polizist angeschossen. Demonstranten bewarfen CNN-Reporter mit Steinen und forderten den Abzug der Medien. Die Polizei setzte Tränengas ein. MSNBC sprach von Rauchbomben. Die Polizei war in Kampfanzügen im Einsatz. Feuerwehrmänner, die zum Löschen ausgerückt seien, mussten der Zeitung zufolge von einem brennenden Gebäude wieder abrücken, nachdem Schüsse fielen. Das Luftfahrtamt FAA schloss wegen Schüssen in Flughafennähe den Luftraum über der Stadt. Hunderte Demonstranten besetzten eine Schnellstraße, die dann von Polizisten abgeriegelt wurde.
Der Bürgermeister von Ferguson sowie der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, riefen die Bewohner zur Besonnenheit auf. Auch die Eltern des erschossenen Jugendlichen Michael Brown appellierten an die Demonstranten, friedlich zu bleiben: „Auf Gewalt mit Gewalt zu antworten, ist keine angemessene Reaktion.“
US-Präsident Barack Obama appellierte bereits kurz nach der Entscheidung an die Protestierenden, sich friedlich zu verhalten. Obama sagte auch, dass es immer noch tiefes Misstrauen zwischen farbigen Menschen und der Polizei gebe.
Die Eltern des toten Teenager hatten um 4 1/2 Minuten Stille nach der Entscheidung gebeten. Die Leiche ihres Sohnes lag damals 4 1/2 Stunden auf der Straße in der Sonne. Der Fall löste eine gewaltige Rassismusdebatte in den USA aus und stellte die übermilitarisierte Polizei in Frage.
Die zwölfköpfige Grand Jury, mit drei schwarzen und neun weißen Geschworenen, hatte ihre Arbeit vor drei Monaten aufgenommen. Handelte der Polizist in Notwehr, wie er sagte? Oder wollte sich Brown, den insgesamt sieben Kugeln trafen, mit erhobenen Händen ergeben, wie andere Zeugen sagten? Das Geschworenengericht beschloss nun, dass sich der 28-jährige Polizist nicht in einem Prozess verantworten muss. Bei all den Zweifeln und offenen Fragen eine höchst umstrittene Entscheidung. Sie ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Polizisten in den USA sehr starke juristische Personen sind. Es genügt meist, wenn der Beamte erklärt, dass er sich selbstverteidigen musste. "Der Mörder eines Kindes kommt davon. Nur weil er sagt, dass er Angst hatte", sagte eine Demonstrantin.
Die Polizei hatte sich auf Krawalle vorbereitet
Die Vorbereitungen auf diesen Beschluss hatten teilweise bizarre Formen angenommen. Manche Anwohner kauften Lebensmittel auf Vorrat. Geschäftsbesitzer verbarrikadierten ihre Schaufenster. Waffenhändler verkauften deutlich mehr Pistolen und Gewehre. Die Polizei des St. Louis County rüstete für knapp 200.000 US-Dollar auf. Jay Nixon, der Gouverneur von Missouri, hatte bereits Anfang November präventiv den Notzustand ausgerufen und die Nationalgarde nach Ferguson bestellt.
Auch Leslie McSpadden, die Mutter des getöteten Teenagers, demonstrierte am Montagabend vor der Polizeiwache in Ferguson, in der der Todesschütze Wilson arbeitete. Immer wieder rief sie: "Wer bringt mir mein Kind zurück?" Als die Entscheidung fiel, liefen ihr Tränen über die Wangen.