Ukraine: Schweiz und Österreich sperren Janukowitsch-Millionen
Schlag gegen die gestürzte ukrainische Führung: Die Schweiz und Österreich legen Vermögen in bislang unbekannter Millionenhöhe des entmachteten ukrainischen Präsident Viktor Janukowitsch auf Eis. Die Ermittler eröffnen zudem ein Strafverfahren wegen Geldwäsche.
Der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hält sich weiter für den rechtmäßigen Staatschef des Landes. Er sei „nicht abgesetzt“ worden, sondern habe sich nach Drohungen „gezwungen“ gesehen, das Land zu verlassen, sagte Janukowitsch am Freitag bei einer Pressekonferenz in der russischen Stadt Rostow am Don, bei der er sich das erste Mal seit seiner Flucht aus der Ukraine öffentlich zeigte. Er werde in die Ukraine zurückkehren, sobald seine persönliche Sicherheit gewährleistet sei.
Er werde weiter „für die Zukunft der Ukraine kämpfen“, kündigte Janukowitsch an. An der „illegalen“ Präsidentschaftswahl am 25. Mai werde er sich nicht beteiligen. In der Ukraine hätten „junge Neofaschisten“ die Macht übernommen, es herrschten „Terror und Chaos“. Der gestürzte Präsident machte die „unverantwortliche Politik“ des Westens für die Entwicklung verantwortlich.
Spannungen auf der Krim seien „natürliche Reaktion“ auf unrechtmäßigen Umsturz
Die Spannungen auf der Krim seien eine „natürliche Reaktion“ auf den unrechtmäßigen Umsturz. Die Halbinsel müsse Teil der Ukraine bleiben. Er sei überrascht, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin noch nicht zur Lage in der Ukraine geäußert habe.
Der prorussische Politiker war nach wochenlangen blutigen Massenprotesten am Samstag vergangener Woche vom Parlament für abgesetzt erklärt worden. Er wurde in Russland aufgenommen. Er habe nach seiner Ankunft in Russland mit Putin telefoniert, berichtete Janukowitsch in Rostow, das in der Nähe der ukrainischen Grenze liegt. Getroffen habe er den russischen Präsidenten aber noch nicht. Seine Ausreise aus der Ukraine sei „dank eines patriotisch eingestellten jungen Beamten“ ermöglicht worden, sagte Janukowitsch. Einzelheiten zu seiner Flucht machte er nicht.
Nach seiner Flucht aus Kiew hatte Janukowitsch zunächst vergeblich versucht, aus der östlichen Stadt Donezk mit einem Flugzeug ins Ausland zu fliehen. Danach war er mit einigen Leibwächtern in einem Auto geflohen. In der Ukraine wird Janukowitsch wegen „Massenmordes“ per Haftbefehl gesucht. Die Staatsanwaltschaft in Kiew will seine Auslieferung beantragen.
Schweiz und Österreich sperren Janukowitsch-Millionen
Die Schweiz und Österreich haben eine Reihe von Konten gesperrt, auf denen Millionenbeträge von Janukowitsch und seinen Gefolgsleuten lagern. Zugleich eröffnete die Staatsanwaltschaft der Eidgenossenschaft gegen Janukowitsch und dessen Sohn Alexander ein Strafverfahren wegen des Verdachts der „schweren Geldwäsche“. Bereits am Donnerstag wurde eine Firma des Sohns in Genf durchsucht, teilte die Behörde mit. In Österreich bezeichnete Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) den Schritt als erste Vorsichtsmaßnahme angesichts der noch andauernden Diskussion auf EU-Ebene zur Umsetzung möglicher Sanktionen.
Die Regierung in Bern verfügte die Sperrung der Konten und stellte per Verordnung jegliche Handlung unter Strafe, die eine „Verwaltung oder Nutzung“ dieser mutmaßlich durch Korruption angehäuften Gelder ermöglicht. Viele der 20 Betroffenen auf der am Freitag vom Schweizer Bundesrat veröffentlichten Liste sind ehemalige Minister der gestürzten Regierung. Unter ihnen sind der ehemalige Regierungschef Nikolai Asarow sowie die Ex-Minister für Finanzen, Juri Kolobow, und Justiz, Olena Lukasch, sowie der ehemalige Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka.
Banken in der Schweiz, die Gelder dieser Personen verwalten, sind nun verpflichtet, sie der Direktion für Völkerrecht im Schweizer Außenministerium zu melden. Nach Angaben von Ministeriumssprecher Pierre-Alain Eltschinger hat die Regierung in Bern diese Maßnahmen von sich aus ergriffen. Die Übergangsregierung in Kiew habe bislang nicht darum gebeten. In Österreich sind Konten von insgesamt 18 Ukrainern betroffen.
Die ukrainische Regierung habe in jedem der Fälle eine Begründung geliefert, warum das Konto eingefroren werden sollte, sagte Kurz. Es geht um den Verdacht von Menschenrechtsverletzungen beim blutigen Machtkampf in der Ukraine sowie um Korruptionsverdacht.
Klitschko tritt gegen Timoschenko bei Präsidentenwahl an
Der ukrainische Politiker und Ex-Boxprofi Vitali Klitschko tritt bei der Präsidentenwahl auch gegen die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko an. Die aus der Haft entlassene Timoschenko habe ihm selbst vor zwei Tagen bei einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass sie kandidieren wolle. Das sagte Klitschko am Freitag bei einer Parlamentssitzung in Kiew. Die Abstimmung ist für den 25. Mai geplant. Zuletzt hatte es widersprüchliche Aussagen um Timoschenkos Pläne gegeben.
Dass die beiden Politiker, die gemeinsam für einen Machtwechsel in der Ex-Sowjetrepublik gekämpft hatten, nun in Konkurrenz treten könnten, sieht Klitschko scheinbar mit gemischten Gefühlen. „Ich sehe nichts Schlechtes, aber es wird sehr seltsam aussehen, wenn die (einstigen) Oppositionskräfte konkurrieren werden. Ich hoffe, dass die Konkurrenz, wenn es sie geben sollte, ehrlich, transparent und nach modernen europäischen Standards abläuft“, sagte Klitschko.
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Kiew und Moskau sind weiter auf Konfrontationskurs um die Halbinsel Krim. Das ukrainische Parlament forderte den Nachbarn Russland am Freitag in einem scharfen Appell auf, alle Handlungen zu unterlassen, die die territoriale Einheit des Landes gefährdeten. In der Nacht waren etwa 50 bewaffnete und uniformierte Männer in Geländewagen ohne Kennzeichen sowie mit russischen Fahnen auf dem Krim-Flughafen Simferopol aufmarschiert.
Auch am Freitagnachmittag patrouillierten einem Bericht der Agentur AFP zufolge weiter ein dutzend uniformierte Bewaffnete vor dem Airport. Neben den Männern in identischen Uniformen ohne Rangabzeichen hielten auch rund dreißig prorussische Zivilisten vor den Flughafengebäude der Regionalhauptstadt die Stellung. Zuvor hatte der ukrainische Sicherheitschef Andrij Parubij verkündet, der Flughafen in Simferopol ebenso wie der ebenfalls besetzte Militärflughafen von Sewastopol seien wieder unter Kontrolle. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow hatte zuvor Russland eine „bewaffnete Invasion“ vorgeworfen. Demnach handelte es sich bei den mysteriösen Männern, die mit modernen Sturmgewehren ausgerüstet in einheitlichen Uniformen auftraten, um russische Soldaten.
Vertreter Russlands wiesen die Verantwortung für die Besetzung der Flughäfen jedoch zurück. Der Sprecher der Gruppe in Zivil, der sich als früherer Offizier namens Wladimir vorstellte, erklärte, sie wollten verhindern, dass „aus dem Westen der Ukraine Faschisten und Radikale“ auf die Krim gelangten. Im Innern des Flughafens lief die Abfertigung der Passagiere für Flüge nach Moskau und Kiew derweil ungestört weiter.
Am 25. Mai sollen die Bürger der Krim über ihre Zukunft abstimmen
Russische Abgeordnete heizten die Diskussion über eine Abspaltung der Krim von der Ukraine mit einem Gesetzentwurf weiter an. Künftig soll bereits ein Referendum und nicht wie bisher ein völkerrechtlicher Vertrag genügen, damit sich ein Land oder Landesteil Russland anschließen kann, heißt es in dem Entwurf, der in der Duma in Moskau vorgestellt wurde. Die mehrheitlich von Russen bewohnte autonome Republik Krim hat für den 25. Mai ein Referendum über ihre Zukunft angesetzt.
Die Außenminister von Deutschland, Polen und Frankreich äußerten sich in einer gemeinsamen Erklärung „zutiefst besorgt“ über die Spannungen auf der Krim. „Es muss alles unternommen werden, um die Spannungen in den östlichen Regionen des Landes zu vermindern und einen friedlichen Dialog zwischen allen beteiligten Kräften zu fördern“, forderten Frank-Walter Steinmeier, Radoslaw Sikorski und Laurent Fabius. Kanzlerin Merkel und ihr ukrainischer Kollege Jazenjuk seien sich einig gewesen, dass die territoriale Integrität der Ukraine gewahrt werden müsse, teilte die Bundesregierung nach einem Telefonat der beiden Regierungschefs am Freitag mit. (AFP, dpa)