Datenkauf: Schweiz kämpft auf verlorenem Posten
Im Steuerstreit mit dem großen Nachbarn Deutschland schwindet der Handlungsspielraum der Schweiz immer mehr. Die Eidgenossen müssen hilflos zusehen, wie Deutschland Fakten schafft und die umstrittenen Daten über Steuersünder kauft.
Finanzminister Hans-Rudolf Merz wollte am Dienstag noch einmal telefonisch versuchen, seinen Berliner Amtskollegen Wolfgang Schäuble vom Erwerb der Unterlagen abzuhalten. Doch Schäuble gab seine Antwort schon vorher in einem Interview. „Im Prinzip ist die Entscheidung gefallen“, sagte der CDU-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“.
Es geht um gestohlene Daten von 1500 deutschen Kunden, die bei Schweizer Banken Schwarzgeld gelagert haben sollen. Der deutsche Fiskus will jetzt an die entgangenen Gelder ran. Nach Schäubles Angaben ist der Fall ähnlich gelagert wie die Affäre um Liechtensteiner Konten im Jahr 2008. Damals seien ebenfalls Daten über Geheimkonten angekauft worden. „Wir konnten deshalb gar nicht anders entscheiden“, wird Schäuble zitiert.
Nachdem die Bundeskanzlerin schon am Montag prinzipiell grünes Licht für den Kauf der Unterlagen erteilt hatte, unterstrichen Schweizer Politiker noch, dass es sich um eine „Straftat“ handle. Der Präsident der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) Toni Brunner tönte: „Wir können nicht scharf genug auf das deutsche Vorgehen reagieren.“
Zunächst wollten einige Politiker tatsächlich großes Geschütz auffahren: Ideen wie eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit mit Deutschland wurden aber schnell wieder zu den Akten gelegt. Letztlich blieb nur der Ruf nach symbolischen Gesten. So drängt der SVP- Chef Brunner die Berner Regierung, den deutschen Botschafter einzubestellen. Das dürfte aber auch nichts ändern. Am besten brachte es die Analyse des Zürcher „Tages-Anzeigers“ auf den Punkt: „Deutschland sagt, wo’s langgeht.“ Die Schweiz habe gegenüber dem mächtigen Nachbarn im Norden nichts in der Hand.
Das dürften die Schweizer auch bei den Verhandlungen mit Deutschland über das Doppelbesteuerungsabkommen merken. Die Vereinbarung soll nach dem Willen Berlins bald stehen. Die Schweiz will aber nun die Gespräche, die für den März geplant waren, zunächst einmal stoppen. Mit dem Abkommen wird auch das alte einträgliche Schweizer Bankgeheimnis de facto beerdigt. Denn die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wird fallen. Bislang kooperierte die Schweiz mit Deutschland nur, wenn deutsche Kunden bei Schweizer Banken Geld aus Steuerbetrug horteten. Bei „Steuerhinterziehung“ schritt man nicht ein. Wo genau der Unterschied zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung lag, entschieden die Schweizer. Der feine Unterschied garantierte den Schweizer Banken Milliardensummen. Andere Länder – wie Deutschland – litten unter den Steuerausfällen.
Ganz so klar, wie Schäuble die Sache darstellt, ist sie aber noch nicht. Wie genau der Ankauf der Daten abgewickelt werden soll, ist nicht geklärt. Die Daten sind einem Steuerfahnder in Wuppertal angeboten worden. Sollte es zum Ankauf kommen, dürften sich Bund und die Länder die Kosten teilen, aus denen die Steuersünder kommen. So war es jedenfalls vor zwei Jahren. Der Deutsche Anwaltverein warnte vor dem Kauf: „Der Staat darf den Boden des Rechts nicht verlassen und durch den Kauf der illegal beschafften Daten einen Markt für solche Daten schaffen“ sagte sein Vizepräsident Schellenberger dem Handelsblatt.
Offenbar machen sich viele deutsche Anleger Sorgen. „Bei uns laufen die Telefone heiß“, sagte ein Berater, der vor allem vermögende Deutsche betreut. „Die Kunden sind besorgt, ob auch sie von der Datenaffäre betroffen sein könnten.“ Das dürften die Bankberater selbst nicht wissen, denn noch immer ist nicht klar, um welche Schweizer Bank es bei den Daten überhaupt geht. Für die deutschen Finanzbehörden ist das eine komfortable Situation. Denn solange unklar ist, welche Kundengruppe womöglich auf der CD verewigt ist, könnte, wer weniger gute Nerven hat, zum Mittel einer Selbstanzeige greifen. Damit könnten sie einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Steuerhinterziehung entkommen. Wer seine nicht deklarierten Einnahmen nachmeldet, kommt mit einer Nachzahlung und einer Strafzahlung von sechs Prozent der Steuerschuld pro Jahr davon. mit dpa/HB