Kritik vom Europarat: Schwedens Schulsystem im Sog von Sekten
Schwedens Schulsystem gilt als vorbildlich. Doch jetzt kritisiert der Europarat die laschen Kontrollen religiöser Bildungsstätten. Schülern würde dort beigebracht, dass die Frau dem Mann untertan sei - und das alles auf Kosten der Steuerzahler.
Homosexualität ist heilbar, Gewalt in der Ehe in Ordnung und die Frau dem Manne untertan. Das lernen schwedische Schüler auf Kosten des Steuerzahlers – in öffentlich finanzierten religiösen Freischulen, die spürbar mehr Zulauf bekommen. Was im Land selbst bisher wenig hinterfragt wird, kritisiert jetzt der Europarat: Schwedens Schulsystem befördere den Einfluss von Sekten auf Heranwachsende, betonte kürzlich der Sekten-Sonderberichterstatter des Rates, Rudy Salles. Die Gründung einer Schule sei einfach, die Kontrolle dessen, was dort gelehrt werde, zu sporadisch und zu lasch.
Mehr Vielfalt lautete die Parole, als die Freischul-Reform zu Beginn der 1990er Jahre in Kraft trat und die Vorherrschaft kommunaler Schulen brach. Dem privaten Träger einer Schule fließt seither vom Staat pro Schüler eine festgesetzte, für öffentliche und freie Schulen gleiche Summe zu. Die Steuergelder darf er in Gewinne ummünzen, die stattliche Höhen erreichen können. Nicht umsonst organisieren sich viele Schulen als Großkonzerne. Bewilligt werden die Anträge auf eine Schulgründung von der Schulaufsicht. Der seit 2008 bestehenden Behörde obliegt außerdem die Inspektion kommunaler wie freier Schulen. Im Falle religiöser Schulen folgt man dem von der Politik vorgegebenen Spagat, der laut Andreas Spång von der Schulaufsicht in der goldenen Regel mündet: „Der Unterricht in freien Schulen soll nicht-konfessionell sein; im übrigen Schulbetrieb dürfen konfessionelle Aspekte aber vorkommen.“ Nach offizieller Logik ist damit gesichert, dass die Schüler nicht ungebührlich religiös beeinflusst werden. Metta Fjelkner, Vorsitzende des Landesverbandes der Lehrer, hält das für absurd: „Niemand eröffnet eine religiöse Schule, um sich dort nicht mit Religion zu beschäftigen. Schweden blendet den Widerspruch einfach aus.“
Schwedens Schullandschaft hat sich zu einem Mosaik entwickelt, auf dem religiöse Bildungsstätten mit eigenwilligen Ansichten hervorstechen. So erzählt Karl-Erik Lundin, Rektor der christlichen Schule Oasen in Sundsvall, seinen Schülern gern von einem früheren Studienkameraden, der sich mit Gottes Hilfe von schwul zu hetero gewandelt habe. Mehrfach für Schlagzeilen sorgte die Labora-Schule in Långeryd, betrieben von der Plymouth-Brüder-Sekte, die Frauen als dem Mann untergeordnet ansieht und nach größtmöglicher Abschirmung ihrer Mitglieder von der Umwelt strebt. An ihrem Unterricht ist laut Aufsicht aber nichts auszusetzen. Und Abdu Rashid, der als Imam in der Göteborger Moschee 2012 erklärte, eine Frau müsse ihren prügelnden Ehemann gewähren lassen, fand die Behörde für seinen Lehrer-Job an der muslimischen Römosse-Schule geeignet: Schließlich habe der Schulleiter versichert, der Imam verbreite seine bizarren Ansichten nicht im Unterricht.
Der Staatssekretär im Bildungsministerium, Bertil Östberg, zeigt für die Kritik vom Europarat wenig Verständnis. Die Kontrolle der religiösen Schulen sei vielleicht nicht hundertprozentig, zitiert ihn die Nachrichtenagentur TT; von „Schlappheit“ könne hingegen keine Rede sein. Metta Fjelkner, deren Lehrergewerkschaft schon 2005 Kritik gegen religiöse Freischulen anmeldete, konstatiert: „Keine politische Partei traut sich, in gleicher Weise wie wir Stellung zu beziehen.“ Im vermeintlich so „gottlosen“ Schweden gebe es „im Gegenteil enorm starke religiöse Kräfte verschiedener Coleur“. Widerstand regt sich in der Opposition. Dass Sekten Schulen betreiben dürfen, sei Beleg für ernste Mängel im System, heißt es in einem Antrag auf härtere Kontrollen, den der Sozialdemokrat Christer Adelsbo im Reichstag eingebracht hat. Schwedens Schul-Gesetzgebung sei sehr liberal „und wahrscheinlich geradezu naiv“.