Korruptionsskandal in Spanien: Schwarze Kassen
Ein Korruptionsskandal erschüttert die Volkspartei des spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy. Welche politischen Folgen könnte die Affäre haben?
Der Korruptions- und Schwarzgeldskandal, in dem die spanische Volkspartei (PP) gerade versinkt, könnte ein politisches Erdbeben auslösen. Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy wirkt deshalb in diesen Tagen noch ernster als sonst. Ein früherer Geschäftsführer und Schatzmeister der Konservativen namens Luis Barcenas soll 20 Jahre lang hohen Parteifreunden in der Madrider PP-Zentrale dicke Geldumschläge zugesteckt haben – Geld dunkler Herkunft, mit dem möglicherweise auch das Gehalt konservativer Spitzenpolitiker aufgebessert wurde. Nachdem ein Untersuchungsrichter zudem auf einem Schweizer Konto von Barcenas 22 Millionen Euro zweifelhaften Ursprungs entdeckte, jagen Wellen der Empörung durchs Volk, das in der Finanz- und Wirtschaftskrise den Gürtel immer enger schnallen muss. „Das ist abscheulich“, brachte eine Hörerin im Rundfunk die Meinung der Nation auf den Punkt.
Die brisante Affäre ist ein neues Kapitel jenes Bestechungsskandals, der bereits vor vier Jahren mit der polizeilichen „Operation Gürtel“ aufgedeckt wurde. Damals war herausgekommen, dass der parteinahe Unternehmer Francisco Correa im großen Stil konservative Politiker und Parteifunktionäre mit großzügigen Geschenken und Geld geschmiert hatte, um lukrative Aufträge zu ergattern. Unter den Beschuldigten befand sich als eine der Schlüsselfiguren auch schon Barcenas, der 2010 aus der Partei geworfen wurde. Doch Barcenas nahm seine Notizen über fragwürdige Parteigeschäfte mit, die auch andere Politiker belasten könnten. Gezielte Enthüllungen, die dem eigentlich auf Rajoys Seite stehenden Blatt „El Mundo“ zugespielt wurden, lassen die Konservativen erzittern. Denn diese Informationen könnten auf Steuerbetrug, illegale Parteienfinanzierung und Korruption in der Volkspartei hinweisen.
Zwischen 5000 und 15 000 Euro sollen sich jeweils in diesen Umschlägen befunden haben, berichtete „El Mundo“. Das Geld stamme „aus Kommissionen – die für Aufträge an Bauunternehmer kassiert wurden – und aus Spenden“. Rajoy, seine Minister und hohe Parteifunktionäre dementierten eiligst, dass sie solche „Extrazahlungen“ erhalten haben. „Ich weiß nichts von solchen Vorgängen“, hieß es einhellig. Auch mit dem Schweizer Konto habe die Partei nichts zu tun.
Angesichts der öffentlichen Erregung sah sich Rajoy jedoch gezwungen, einer „externen Prüfung“ der Parteifinanzen zuzustimmen. Ob es ihm gelingt, die Wogen zu glätten, ist fraglich, zumal wenigstens ein Konservativer, der frühere Abgeordnete Jorge Trias Sagnier, zugab, dass es in seiner Partei lange Zeit eine „Schwarzgeld-Buchhaltung“ gegeben habe. Trias forderte Parteichef Rajoy auf, den „Riesenskandal“ endlich zu untersuchen und den Parteistall auszumisten. Es müsse rückhaltlos aufgedeckt werden, woher das Geld kam, an wen es gezahlt wurde. Nur so könne die regierende Volkspartei ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen.
Spaniens sozialistische Opposition fordert derweil einen Untersuchungsausschuss. Doch die Linkspartei hat ihre eigenen Probleme mit Korruption: In der südspanischen Sozi-Hochburg Andalusien sollen hohe Parteifunktionäre Arbeitsfördermittel in Millionenhöhe in die eigenen Taschen gesteckt haben. Im nordspanischen Katalonien wird gegen Politiker der dort herrschenden CiU ermittelt, weil sie bei öffentlichen Aufträgen abkassiert haben sollen. Sogar das Königshaus steckt im Sumpf, seit der königliche Schwiegersohn Inaki Urdangarin beschuldigt wird, Steuergelder ergaunert zu haben.
Insgesamt laufen gegen mehr als 200 spanische Politiker Korruptionsverfahren. Diese Raffgier-Kultur sei niederschmetternd, urteilte die Zeitung „El Mundo“. „Der schlechte Ruf unserer politischen Klasse hat ein beschämendes Niveau erreicht.“