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Protest gegen den Freispruch im Prozess um Trayvon Martin
© AFP

Trayvon Martin und Deutschland: "Schwarz gleich gefährlich, das funktioniert weltweit"

Verdächtig, weil er schwarz war? Der Fall des Teenagers Trayvon Martin ist kein rein amerikanischer, sagt Tahir Della von der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland".

Kritiker nennen das Urteil im Fall Trayvon Martin rassistisch. Verteidiger der Geschworenen meinen, die Jury hätte gar nicht anders handeln können angesichts der Waffengesetze in Florida. Demnach war Zimmermans Handeln legitime Selbstverteidigung. Was meinen Sie?

Der Angeklagte Zimmerman hat im Prozess selbst gesagt, er habe sich ganz allgemein bedroht gefühlt. Das ist ein Punkt, der  aus meiner Sicht nicht genügend beachtet wurde. Ein schwarzer Jugendlicher, der nichts Verdächtiges tat, schien ihm durch seine reine Anwesenheit bedrohlich genug, um auf ihn zu schießen. Das ist rassistisch. Auch nicht geklärt wurde, ob er sich rassistisch gegenüber der Polizei über Martin ausgelassen hat. Und was den Spielraum der Jury angeht: Dieses Urteil ist ja nicht das einzige seiner Art  in den USA.   Kürzlich ist eine Frau zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, nur weil sie Warnschüsse abfeuerte. Die Frau war schwarz. Wie kommt es, dass in vergleichbaren Fällen derart unterschiedliche Urteile zustande kommen? Und wie muss das auf schwarze Menschen wirken?

Tahir Della
Tahir Della
© Surya Paasch

Ist der Fall Trayvon Martin nicht eine sehr amerikanische Geschichte?

Diese Markierung schwarzer Jugendlicher und Männer als generell verdächtig und gefährlich, die funktioniert  weltweit, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Die Schwelle zur Gewalt wäre in Deutschland sicher höher, schon wegen des glücklicherweise geringeren Umlaufs von Waffen. Was Wahrnehmung und Reflexe angeht, in Polizei, Justiz, aber auch in der Gesellschaft insgesamt, da gibt es durchaus Parallelen. Am Fall Trayvon Martin kann man sehen, welche Folgen es hat, wenn die Markierung „schwarz gleich gefährlich“ ins Gesellschaftsbild eingeschrieben ist.

Sie haben deswegen kürzlich eine Petition gegen das sogenannte Racial Profiling in den Bundestag eingebracht, also die gezielte Kontrolle von Menschen dunklerer Hautfarbe.

Nicht nur deswegen. Die Petition der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland" spricht sich generell dagegen aus, Schlüsse aus phänotypischen Merkmalen zu ziehen. Sie sind ein schlechter Ansatzpunkt, um zu beurteilen, ob jemand etwas strafrechtlich Relevantes getan hat. Es geht nicht darum, Polizeimaßnahmen zu verhindern, sondern darum, rassistische Bilder bei den Behörden abzubauen.

Lässt sich das per Gesetz befehlen? 

Man muss sich umgekehrt fragen, was es bedeutet, wenn Racial Profiling geduldet wird. Markierung von schwarzen Menschen in Deutschland ist immer noch: Ihr seid fremd, ihr seid dazugekommen. Wenn ich das ins Handeln des Staates einschreibe, überträgt sich das auf die Gesellschaft. Dabei stimmt es überhaupt nicht. Die Zahl hier geborener Menschen, die nicht weiß sind, steigt stetig. Die Leute bekommen mit, wenn  vorzugsweise Schwarze kontrolliert werden. Wenn Polizisten sie dann noch in gebrochenem Deutsch ansprechen, ist das für die Gesellschaft insgesamt ein Negativ-Vorbild. Abgesehen davon, dass diese Kontrollen auch ineffektiv sind und von den eigentlichen Kriminellen ablenken: Wenn ich hundert Schwarze kontrolliere, werde ich sicher auch ein paar finden, die ich suche. Aber die weißen Kriminellen fallen so vollkommen durchs Raster. 

Was bedeutet es im deutschen Alltag, schwarz zu sein?

Zum Beispiel, dass ich viel weniger entspannt sein kann. Auch Weiße werden sicher nicht gern von einer Polizeistreife gestoppt, aber ich lebe, egal ob ich angegurtet im Auto sitze oder nicht,  immer mit dem Reflex: Pass auf! Und das, obwohl mich von andern Bürgern nichts unterscheidet. Ich zum Beispiel bin gebürtiger Münchner  und ausschließlich deutsch sozialisiert, meine Mutter ist Deutsche. Ich bin  nicht fremd. Außer in der Wahrnehmung der anderen.

Andrea Dernbach

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