Pipeline-Projekt "Turkish Stream": Schulz betont Ankaras Rolle bei EU-Energieversorgung
Im vergangenen Jahr musste Russland sein Pipeline-Projekt South Stream begraben. Jetzt setzt Russlands Präsident Putin auf eine Gaslieferungsroute, die der Türkei und Griechenland eine wichtige Rolle verleihen würde. EU-Parlamentschef Schulz hält in jedem Fall die Türkei für einen wichtigen künftigen energiepolitischen Akteur.
Mit dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Moskau geht auch der Poker um künftige russische Gaslieferungen nach Europa in eine neue Runde. Nach seiner Begegnung mit Tsipras hatte der russische Präsident Wladimir Putin am Mittwoch erklärt, Griechenland könne zu einem „geopolitischen Akteur“ werden, wenn sich das Land der neuen Pipeline Turkish Stream anschließe. Tsipras bekundete immerhin Interesse an dem Projekt. In Brüssel ist die Reaktion indes verhalten. Die Pläne für die Pipeline Turkish Stream würden derzeit auf wirtschaftliche und juristische Aspekte geprüft, sagte eine EU-Kommissionssprecherin am Donnerstag. EU-Parlamentschef Martin Schulz (SPD) kann dem Projekt immerhin eine positive Seite abgewinnen: Es sei klar, „dass die Türkei bei der künftigen Energiepolitik eine wichtige Rolle spielen kann“, sagte Schulz dem Tagesspiegel.
Hintergrund ist das Bestreben des russischen Monopolisten Gazprom, unter der Umgehung der Ukraine Gas nach Südeuropa zu liefern. Diesem Zweck sollte ursprünglich das Projekt South Stream dienen, mit dem russisches Gas über das Schwarze Meer und Bulgarien nach Südeuropa geliefert werden sollte. Die EU-Kommission erhob jedoch Einspruch, weil sie es für unzulässig hielt, wenn ein Erdgaslieferant zugleich den Zugang zu den Pipelines kontrolliert. Damit musste Russland seine South-Stream-Pläne im vergangenen Jahr begraben.
Das Nachfolgeprojekt Turkish Stream soll sich nun auf einen neuen Kreis von Teilnehmerländern stützen: die Türkei, Serbien, Mazedonien, Ungarn – und eben Griechenland. Im Beisein von Tsipras machte Putin am Mittwoch mächtig Werbung für das Projekt, das noch in der Anfangsphase steckt. Der Kremlchef erklärte, der Gastransit könnte Hellas hunderte Millionen Euro an Einnahmen und zahlreiche Arbeitsplätze bringen.
EU-Parlamentschef Schulz sagte dem Tagesspiegel, dass die wirtschaftliche Rentabilität des Turkish-Stream-Projekts, die juristische Machbarkeit und die Vereinbarkeit mit bestehenden Abkommen noch zu prüfen seien. Zudem müssten die Beziehung der EU zu Drittstaaten, die Versorgungssicherheit der europäischen Mitgliedstaaten und die Verteilung des Energieträgers unter den EU-Staaten berücksichtigt werden.
Insgesamt zeigte sich Schulz nach dem Auftritt von Tsipras an der Seite von Putin erleichtert, dass der griechische Ministerpräsident bei seinem Antrittsbesuch in Moskau die EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland nicht durchkreuzt hat: „Tsipras hat klargemacht, dass er sich seiner internationalen Verpflichtungen bewusst ist, auch wenn er für sich in Anspruch nimmt, eine eigenständige Außenpolitik führen zu wollen.“ Zuvor hatte der SPD-Politiker den griechischen Premier gewarnt, aus der gemeinsamen EU-Linie gegenüber Russland auszuscheren.