Altkanzler zu umstrittener Pipeline Nord Stream 2: Schröder fordert Gegensanktionen für die USA
Gerhard Schröder kritisiert im Bundestag die US-Sanktionen gegen Nord Stream 2. Er fordert Gegensanktionen der EU und polarisiert mit seinem Auftritt.
Angesichts drohender neuer US-Sanktionen gegen das Pipelineprojekt Nord Stream 2 fordert Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder Gegensanktionen der EU. Die Bundesregierung müsse dafür auf EU-Ebene Druck machen, sagte Schröder am Mittwoch im Bundestag. Er war als Experte zu einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss eingeladen worden. Hintergrund sind mögliche erweiterte US-Sanktionen gegen das Projekt.
Über die Pipeline soll Gas von Russland über die Ostsee nach Deutschland gebracht werden. Die USA warnen vor einer Abhängigkeit Deutschlands von Russland, mit weiteren Sanktionen wollen sie den fast vollendeten Bau doch noch stoppen. Schröder ist bei Nord Stream 2 Präsident des Verwaltungsrats und Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG sowie des russischen Mineralölunternehmens Rosneft. Er wies den Vorwurf zurück, Nord Stream 2 gefährde die Versorgungssicherheit Deutschlands – das Gegenteil sei der Fall.
Die US-Senatoren Ted Cruz von den Republikanern und Jeanne Shaheen von den Demokraten haben Anfang Juni einen Gesetzesentwurf in beide Häuser des Kongresses eingebracht, um die Maßnahmen gegen Nord Stream 2 zu verschärfen. Damit sollen die Sanktionen vom Dezember des letzten Jahres auf weitere Unternehmen ausgeweitet werden.
Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, kritisierte die drohenden neuen US-Sanktionen scharf. Er bezeichnete das Szenario bei der Anhörung als „direkten und schwerwiegenden Eingriff in die Souveränität Deutschlands und der EU“. Es sei „absurd“, dass der amerikanische Gesetzgeber europäische Fragen regulieren wolle. „Wir wollen dem im gemeinsamen EU-Interesse und im Interesse der transatlantischen Partnerschaft entgegentreten“, sagte Annen.
Schröder sieht weitere Politisierung des internationalen Handels
„Die USA wollen einen souveränen Staat wie Deutschland und einer souveränen Staatengemeinschaft wie Europa vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben“, sagte Schröder am Mittwoch. Das sei natürlich zurückzuweisen. Er warnte zudem allgemein vor "Sanktionitis" in den internationalen Handelsbeziehungen und nannte die Beziehungen zu Russland und China.
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Das europäische Verhältnis zu den USA sieht er jedoch anders: Nun müssten alle „diplomatischen Möglichkeiten ausgenutzt“ werden, aber es werde „auch nicht ohne Gegensanktionen gehen können“. Nord Stream 2 sei nur der Beginn einer weiteren Politisierung der internationalen Handelsbeziehungen.
Schröders Auftritt polarisiert in der Linken
Die Einladung Schröders als Sachverständiger durch den Ausschussvorsitzenden Klaus Ernst (Linke) hatte für Streit bei den Linken gesorgt. Der Energie- und Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin sagte: „Die Einladung von Ex-Kanzler Schröder durch den Kollegen Klaus Ernst ist ein unnötiges Eigentor, auf allen Ebenen falsch und an Peinlichkeit nicht zu überbieten.“
In der Sitzung selbst blieb der Auftritt Schröders weitgehend sachlich, einzig der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben bezeichnete Schröder als „Kreml-Lobbyist“. Schröder sagte: „Ich bin nicht hier um zu politisieren, sondern weil sie mich eingeladen haben.“ (dpa)