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Wollen im November einen Koalitionsvertrag haben: Robert Habeck, Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Christian Lindner
© Imago/Mike Schmidt

Wie im Uni-Seminar: „Schriftgröße 11, Calibri“ – so soll die Ampel-Koalition gebaut werden

SPD, Grüne und FDP geben den 22 Ampel-Arbeitsgruppen detaillierte Vorgaben – damit nicht am Ende zu viele Konflikte übrig bleiben. Ein Überblick.

„Die Bürgerinnen und Bürger haben bei der Bundestagswahl entschieden, dass Deutschland einen neuen Aufbruch braucht“, heißt es in einem Leitfaden für die 22 Ampel-Arbeitsgruppen, die bis zum 10. November, 18 Uhr, die Grundlagen für das erste Ampelbündnis auf Bundesebene erarbeiten sollen. „Im Bewusstsein der unterschiedlichen Traditionen und Wertvorstellungen unserer Parteien wollen wir ein neues, innovatives Bündnis zusammenbringen.“

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Damit das klappt, haben die Spitzen von SPD , Grünen und FDP den Gruppen recht detaillierte Vorgaben mit auf den Weg gegeben, bis hin zu Schriftart und Schriftgröße der abzufassenden Ergebnispapiere – und den Arbeitszeiten. Dem Tagesspiegel liegt die Arbeitsanweisung für die rund 280 Unterhändler hervor – ein Überblick.

„Um die Arbeit der Arbeitsgruppen effizient zu organisieren, bitten wir die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse und Zwischenverhandlungsstände in folgender, gleicher Weise zu dokumentieren“, wird zur Struktur der Arbeitspapiere betont. Kompromisse sollen am besten in den Arbeitsgruppen selbst gefunden werden, damit die Hauptverhandlungsrunde mit den Chef-Unterhändlern Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP), Robert Habeck und Annalena Baerbock (Grüne) am Ende weniger Konflikte zu lösen haben.

[Einen Überblick über die Verhandler und die Konflikte lesen Abonnenten von T+ hier: Die größten Hürden auf dem Weg zur Ampel]

Die Überweisung von strittigen Punkten solle die Ausnahme bleiben. „Wenn diese im Ausnahmefall nicht aufgelöst werden können, sind sie wie folgt zu markieren: Rot – Formulierungsvorschlag SPD; Grün: Formulierungsvorschlag Grüne; Gelb: Formulierungsvorschlag FDP.“ Wenn ein Text mit einer Farbe markiert und durchgestrichen sei, sei die betreffende Partei nicht einverstanden - die anderen beiden Parteien hingegen seien es. Klar ist, es gibt noch genug Konfliktpotential, gerade beim Thema Finanzen und beim Klimaschutz.

Schriftgröße 11, Calibri, Zeilenabstand 1,5

Der Umfang der AG-Papiere solle bei den Arbeitsgruppen mit jeweils vier Vertretern jeder Partei maximal drei Seiten betragen, bei den größeren mit jeweils sechs Vertreten einer Partei – also insgesamt 18 Mitgliedern – maximal 5 Seiten. „Schriftgröße 11, Calibri (als Schriftart), Zeilenabstand 1,5“, wird als formale Direktive wie bei einer Seminararbeit an der Universität eingefordert.

Die Struktur solle bitte so aussehen: 1. Zielsetzung für die kommende Legislatur. 2. Zentrale Maßnahmen und konkrete Verabredungen. 3. Schnittstellen und Widersprüche zu anderen Arbeitsgruppen. 4. Offene Punkte 5. Bundesratsentscheidung erforderlich oder nicht? 6. Finanzwirksame Maßnahmen. Die benötigten Gelder sollen in eine Tabelle, unterteilt nach 2022, 2023, 2024 und 2025 eingetragen werden.

Arbeitszeit 11 bis 17 Uhr

Zum Zeitrahmen wird betont, die Verhandlungen könnten an allen Tagen stattfinden, mit Ausnahme der Wochenenden und des 3. November. „Ende der AG-Phase ist der 10.11.21 um 18 Uhr.“ Die Verhandlungszeit sei immer von 11 bis 17 Uhr, eine selbständige Raumorganisation erwünscht. „Raumbuchungen in den Parteizentralen über die jeweiligen Orgabüros möglich“, wird betont.

Und aus früheren Erfahrungen wird gemahnt, bitte keine Wortprotokolle erstellen, sondern nur am Ende die Verhandlungsergebnisse festhalten. Grüne und FDP wissen noch aus der Jamaika-Phase 2017, wie konfus es werden kann, wenn zu viele unterschiedliche Dokumente am Ende kursieren.

Bei den Parteimanagern Michael Kellner (Grüne), Lars Klingbeil (SPD) und Volker Wissing (FDP) laufen die Fäden zusammen.
Bei den Parteimanagern Michael Kellner (Grüne), Lars Klingbeil (SPD) und Volker Wissing (FDP) laufen die Fäden zusammen.
© Imago/Fotostand

Ein Überblick, welche AG's es gibt

Das sind die 22 Arbeitsgruppen mit je nach Bedeutung des Themas 12 bis 18 Teilnehmern: Moderner Staat und Demokratie; Digitale Innovationen und digitale Infrastruktur; Innovation, Wissenschaft, Hochschule und Forschung; Wirtschaft; Umwelt- und Naturschutz; Landwirtschaft und Ernährung; Mobilität; Klima, Energie, Transformation; Sozialstaat, Grundsicherung, Rente; Arbeit; Bauen und Wohnen; Gesundheit und Pflege;  Bildung und Chancen für alle; Kinder, Familie, Senioren und Jugend; Kultur- und Medienpolitik; Innere Sicherheit, Bürgerrechte, Justiz, Verbraucherschutz, Sport; Gleichstellung und Vielfalt; Gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land; Flucht, Migration, Integration; Außen, Sicherheit, Verteidigung, Entwicklung, Menschenrechte; Europa; Finanzen und Haushalt.

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Das Prägendste steht oft gar nicht im Koalitionsvertrag

Der Plan von SPD,, Grünen und FDP sieht vor, dass nach dem 10. November die Hauptsondierungsteams, bestehend aus knapp 30 Personen, unter Federführung der Generalsekretäre Lars Klingbeil (SPD), Volker Wissing (FDP) und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, alles zusammenführen und einen Koalitionsvertrag erarbeiten, der spätestens Ende November stehen soll.

[Über den Konflikt zwischen FDP und Grünen um das Finanzministerium lesen Abonnenten von T+ hier mehr: Der Streit ums Finanzministerium bedroht die Ampel]

Nach Nikolaus, am 7. oder 8. Dezember, könnte Olaf Scholz dann im Bundestag zum Kanzler gewählt und die Minister ernannt und vereidigt werden.

Und offensichtlich scheint man gewillt, nicht wieder einen fast 200 Seiten langen Koalitionsvertrag zu erstellen. Ohnehin stehen die eine Wahlperiode am Ende prägenden Dinge meist gar nicht drin – so wurde die große Koalition 2008 von der Finanzkrise überrascht, 2015 von der Flüchtlingskrise und 2020 von der Corona-Pandemie. Jedenfalls hat man sich schon einmal auf eine Struktur und ein stringentes Arbeiten einigen können - und es soll weiterhin nicht all zu viel nach draußen dringen: „Wir sind davon überzeugt, dass wir vertrauensvoll zusammenarbeiten können“, wird im Ampel-Leitfaden noch einmal mahnend betont.

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