Ebola-Hilfsaktion: Schon 2000 Freiwillige nach von der Leyens Hilfe-Aufruf
Die Verteidigungsministerin rief zur Hilfe in den von Ebola betroffenen westafrikanischen Staaten auf - und viele Bundeswehrangehörige meldeten sich umgehend. Vor den UN richtet der US-Präsident einen Appell an die Welt.
- Albrecht Meier
- Antje Sirleschtov
Rund 48 Stunden nach dem Aufruf von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an freiwillige Helfer für den Einsatz zur Bekämpfung der Ebola-Epidemie haben sich bereits rund 2000 Bewerber per Telefon und Mail gemeldet. Das wurde dem Tagesspiegel am Mittwoch bestätigt. Darunter sind aktive Soldaten und Zivilpersonal der Bundeswehr, ehemalige Bundeswehrangehörige, aber auch sehr viele Zivilisten mit medizinischer Ausbildung. Die Ministerin nannte die Einsatzbereitschaft "überwältigend" und dankte den "vielen Freiwilligen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr", die beim Kampf gegen die Seuche einen persönlichen Einsatz vor Ort in Westafrika leisten wollen. "Auf dieses Signal kann Deutschland stolz sein", sagte die Ministerin und versprach: "Wir werden unsererseits alles Mögliche dafür tun, dass die Freiwilligen mit dem nötigen Rüstzeug und der größtmöglichen Sicherheit in ihren wichtigen Einsatz gehen."
Die Bundeswehr-Telefone laufen heiß
Zunächst hatte es so ausgesehen, als ob Deutschland sich für die Epidemie nicht wirklich interessierte. Nun aber kommt eine Lawine der Hilfe für die von der Ebola-Krankheit Betroffenen in Gang. Die Bundeswehr-Telefone laufen heiß. Immer mehr Freiwillige melden sich, die nach Afrika fliegen und dort den Menschen helfen wollen.
Gleichzeitig bereiten Bundeswehr, Technisches Hilfswerk und Deutsches Rotes Kreuz mit Hochdruck den Start der Luftbrücke vor, über die ab nächster Woche Krankenhäuser, Hilfseinrichtungen und -güter in die senegalesische Hauptstadt Dakar geflogen und von dort aus in die von der Epidemie betroffenen Regionen verteilt werden sollen. Starten wird die Luftbrücke, an der auch Frankreich beteiligt ist, von Deutschland aus. In Deutschland werden auch die Hilfsflüge der Amerikaner koordiniert. Deutschland wird zum Zentrum der Hilfe der Welt für Afrika.
Schon in dieser Woche will die Bundeswehr ein erstes Vorauskommando nach Senegal schicken. Technik- und Organisationsspezialisten sowie Vertreter des Technischen Hilfswerkes sollen dabei sein. Deren Aufgabe: Sichtung der Örtlichkeiten: Wie sind die Anflugkapazitäten des Flughafens Dakar? Wo können Hilfsgüter gelagert und vier Transall-Maschinen gewartet und betankt werden?
Geplant ist, dass sämtliche europäischen Hilfstransporte mit Großraumflugzeugen aus Deutschland nach Dakar geflogen und danach mit vier Transall-Maschinen verteilt werden. Die Maschinen werden in Afrika noch einmal drei bis vier Stunden fliegen, immer abwechselnd. Deutsche Hilfe soll in Richtung Liberia gehen, vielleicht auch nach Sierra Leone.
Nach Senegal wird von drei deutschen Standorten aus geflogen
Richtig losgehen soll es dann kommende Woche. Und zwar zunächst mit einem 100-Mann starke Kommando, das die Luftbrücke aus technischer und medizinischer Sicht ans Laufen bringen soll. Geflogen werden wird von drei deutschen Standorten aus: Leipzig, Hohn in Schleswig-Holstein und Wunstorf in der Nähe von Hannover. Und zwar nicht nur im Auftrag von deutschen, europäischen und amerikanischen Hilfsorganisationen, sondern auch im Auftrag der Vereinten Nationen, die ebenfalls Hilfseinsätze nach Westafrika vorbereitet.
Wie die freiwilligen Helfer vorbereitet werden
Überraschend für das Verteidigungsministerium: Dem Aufruf der Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) an zivile und militärische Helfer folgen weit mehr Menschen als gedacht. Minütlich gehen im Koblenzer Lagezentrum Telefonanrufe und Emails ein, in denen sich Freiwillige melden: Ärzte, Pfleger und Sanitäter. Menschen aus Krankenhäusern, Reservisten der Bundeswehr, Bundeswehrangehörige aus allen Teilen des Landes. Mittlerweile sind es mehr als 2000 Deutsche, die keine Angst vor Ansteckung haben und in Afrika Hilfe leisten wollen. Und dabei sind noch nicht einmal die Freiwilligen gezählt, die sich beim Deutschen Roten Kreuz oder im Einsatzzentrum des Auswärtigen Amtes in Berlin melden.
Wer, wann und unter welchen Bedingungen nach Afrika fliegen wird, muss jetzt in einem gewaltigen logistischen Kraftakt von der Bundeswehr geklärt werden. Es müssen dabei nicht nur Einsatztruppen zusammengestellt werden, die sowohl ärztliche als auch pflegerische und technische Hilfe leisten können. Es muss auch geklärt werden, wie die Helfer geschützt und auf den Einsatz vorbereitet werden können. Für die Bundeswehrangehörigen gibt es bereits ein Einsatzpaket mit Versicherungsschutz, Rückholgarantie und finanzieller Zulage. Für zivile Helfer wird daran noch gearbeitet.
Was die freiwilligen Helfer noch brauchen, ist eine Vorbereitung auf den Einsatz. Dazu gehören ein ausreichender Impfstatus und ein Crashkurs im Umgang mit Epidemien. Die Kurse dauern drei bis vier Tage und werden derzeit in Hamburg und München organisiert. Dort lernen die Helfer, was sie zu tun haben, bevor sie in ihre Einsatzschichten gehen. Bei dem Training geht es zum Beispiel darum, wie man die Schutzanzüge anzieht. Ferner soll neben vielen weiteren Grundregeln vermittelt werden, dass man nur zu zweit in Krankenstationen geht und sich niemals selbst im ungeschützten Gesicht berührt.
„Wir werden unsererseits alles Mögliche dafür tun, dass die Freiwilligen mit dem nötigen Rüstzeug und der größtmöglichen Sicherheit in ihren wichtigen Einsatz gehen“, versprach von der Leyen am Mittwoche den Helfern. Und zwar mit gezielten Information darüber, was genau sie vor Ort erwartet, welche Risiken und welchen Schutz es gibt. Außerdem soll bei einem Intensivkurs mit Experten bei der Sanitätsakademie der Bundeswehr oder in einem der großen Bundeswehrkrankenhäuser erklärt werden, worauf es bei der Ebola-Bekämpfung ankommt und wie die Helfer sich am besten schützen können. Und ganz wichtig für alle Helfer, egal ob militärisch oder zivil: eine verlässliche Rückholkette für den Notfall. „Daran wird derzeit mit Hochdruck gearbeitet", sagt von der Leyen.
In der Region sind rund 3000 französische Soldaten stationiert
Zuvor hatte Frankreichs Staatschef François Hollande am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Paris angekündigt, dass sein Land ein Krankenhaus in Guinea aufbauen werde. Wie der Sprecher von Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Mittwoch erklärte, planten Deutschland und Frankreich derzeit zwei verschiedene Missionen, die miteinander zusammenhingen. Frankreich plane eine humanitäre Mission zur Hilfe für die Ebola-Kranken in Guinea. Dabei sei es auch denkbar, dass deutsche Flugzeuge das dafür benötigte Material transportierten.
„Die französische Armee hat ein echtes Defizit beim Lufttransport“, sagte dazu Alain Antil vom Pariser Außenpolitik-Forschungszentrum Ifri. Dieses Manko, das auch auf die Kürzungen im französischen Wehretat in den zurückliegenden Jahren zurückgeht, habe sich bereits beim Abzug der französischen Truppen aus Afghanistan und bei der Stationierung der französischen Soldaten im Zuge des Kampfes gegen die Islamisten in Mali zu Beginn des Jahres 2013 gezeigt – hier mussten die Amerikaner beim Transport von Militärmaterial behilflich sein. Ob Frankreich seine bestehende Militärlogistik in Westafrika bei der deutschen Luftbrücke zur Verfügung stellt, ließ der Sprecher von Verteidigungsminister Le Drian offen. Im Senegal stehen derzeit 350 französische Soldaten. Die Hauptstadt Dakar, wo die Militärangehörigen am Hafen und am Airport stationiert sind, dient den französischen Truppen in Westafrika als logistische Drehscheibe. Frankreich ist militärisch in der Region mit 3000 Soldaten vertreten. Sie unterstützen im Rahmen der Mission „Barkhane“ Mauretanien, Mali, Niger, Tschad und Burkina-Faso beim Kampf gegen die Islamisten. Dem Kommando des französischen Generals Jean-Pierre Palasset unterstehen dabei unter anderem 20 Hubschrauber und rund zehn Transportflugzeuge.
In Guinea, Liberia und Sierra Leone fehlt es an allem
Die Parlamentarische Staatssekretärin für Gesundheit, Annette Widmann-Mauz (CDU), betonte am Mittwoch im Gesundheitsausschuss, dass es in den vorrangig betroffenen Staaten Guinea, Liberia und Sierra Leone an nahezu allem fehle. Benötigt würden vor allem Fachpersonal und medizinische Ausrüstung. Daneben gehe es aber auch darum, die internationalen Hilfen sinnvoll zu koordinieren. Die Staatssekretärin wies darauf hin, dass manche Krankenstationen, die keine „Ebola-Stützpunkte“ sind, von Betroffenen überrannt würden. Die Mutter-Kind-Sterblichkeit sei extrem angestiegen. Derzeit breche in den betroffenen Staaten nicht nur die Krankenversorgung zusammen, ganze Versorgungsketten stünden vor dem Aus. Auf einem Treffen der EU-Gesundheitsminister sei Anfang der Woche auch über eine europaweit koordinierte Hilfsaktion beraten worden, so Widmann-Mauz.
Bisher sind 15 deutsche Helfer in den Ländern im Einsatz
Von deutscher Seite sind nach den Angaben bisher das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin mit insgesamt 15 Helfern in Wechselschichten in den betroffenen Ländern im Einsatz. In drei „europäischen mobilen Laboren“ werden Proben analysiert. Das Gesundheitsministerium fördert zudem ein Trainingsprogramme des RKI zur Schulung von medizinischem Personal. Das Paul-Ehrlich-Institut forscht zu einem Impfstoff gegen Ebola und Grundlagen für eine Therapie. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) wird laut Widmann- Mautz beim Aufbau und dem Betrieb eines mobilen Krankenhauses und zweier Basisgesundheitsstationen helfen.
Das THW soll am Aufbau der Luftbrücke mitwirken
Das Technische Hilfswerk (THW) soll unter anderem am Aufbau der geplanten Luftbrücke mitwirken. Das THW, das vom Verteidigungsministerium regelmäßig als Partner bei der Logistik genannt wird, hat allerdings noch immer keinen Einsatzauftrag erhalten. Es gebe aber Gespräche, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Aktuell hat das THW drei Auslandseinsätze: in Flüchtlingslagern im Irak und Jordanien sowie in Tunesien, wo aktuell keine deutschen Helfer arbeiten. Dort geht es um die Ausbildung von Katastrophenschützern. Im Irak sind derzeit zehn, in Jordanien vier THW- Leute im Einsatz.
Obama richtet vor den UN einen Appell an die Welt
US-Präsident Barack Obama rief die Weltgemeinschaft in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York zu einem umfassenderen Kampf gegen die Epidemie auf. Der Virus könne hunderttausende Menschen töten, schreckliches Leid erzeugen, ganze Volkswirtschaften destabilisieren und sich rasant über Grenzen ausbreiten. „Es ist leicht, das als entferntes Problem anzusehen – bis es das nicht mehr ist“, sagte er. Daher würden die USA weitere Länder mobilisieren, um konkrete Verpflichtungen einzugehen.
Steinmeier sieht Fehler bei der Einschätzung der Situation
Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte in New York mehr und schnellere Anstrengungen. „Ich verstehe jeden, der sagt, die internationalen Staatengemeinschaft tut nicht genug“, sagte er. „Wahrscheinlich ist der Vorwurf auch richtig, dass wir auf die Größenordnung der Epidemie nicht wirklich vorbereitet waren.“ Umso wichtiger sei, „dass alle Staaten ihren Beitrag leisten, um der Ausbreitung der Epidemie so gut wie möglich Herr zu werden“.
EU-Experten erwarten Ausweitung der Seuche
Nach Einschätzung von EU-Experten wird sich die Epidemie mindestens bis zum Jahresende weiter ausbreiten. Nach der derzeit zu beobachtenden „exponentiellen Zunahme“ der Krankheitsfälle sei dann auf eine Stabilisierung zu hoffen, sagte Philippe Maughan, Hilfsexperte der EU-Kommission, am Mittwoch nach einer Reise in die Krisenregion. Dafür sei neben massiver internationaler Hilfe entschiedenes Handeln der Regierungen vor Ort erforderlich, fügte der in der EU-Kommission für Entwicklungshilfe zuständige Marcus Cornaro hinzu. (mit epd)