Nach dem Euro-Gipfel: Schmerzhafte Heilung für Griechenland
Griechenland ist erleichtert über den Schuldenerlass. Ministerpräsident Giorgos Papandreou spricht von einem "Neustart".
Athen - Tagelang hat der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou mit den Banken verhandelt – über einen Schuldenschnitt für sein im Strudel der Euro-Krise gefangenes Land. „Eine neue Ära“ beginne jetzt für Griechenland, sagt er nun. „Das wird ein Neustart für uns.“ In der Nacht zum Donnerstag kam beim europäischen Gipfeltreffen in Brüssel der Durchbruch: Rund 50 Prozent der Schulden sollen die Privatgläubiger Athen jetzt erlassen – etwa 100 Milliarden Euro. In Griechenland ist die Erleichterung groß. Doch vielen Griechen ist klar, dass die Krise noch lange nicht überwunden ist.
Regierungssprecher Elias Mossialos sagte, nun bestehe die Möglichkeit, „Ordnung in die Staatsfinanzen“ zu bringen. Die Athener Börse reagierte mit einem Kurssprung und legte bis zum Nachmittag über fünf Prozent zu. Die auflagenstarke Zeitung „Ta Nea“ titelte, die Einigung bringe „Erleichterung, aber auch Verpflichtung“. Sie unterstrich zugleich, dass Griechenland in Form von jahrelangen Sparprogrammen, intensiveren Kontrollen und einem umfassenden Privatisierungsprogramm „schmerzhafte“ Zusagen gemacht habe.
Die beiden großen Gewerkschaftsverbände, GSEE für den privaten und ADEDY für den öffentlichen Sektor, kündigten für kommenden Dienstag ein Treffen an, bei dem für November weitere Protestaktionen koordiniert werden sollen. Bereits in den vergangenen Wochen und Monaten gingen Hunderttausende Griechen aus Protest gegen das „soziale Kahlschlagprogramm“ auf die Straße. Immer wieder gibt es Arbeitsniederlegungen, Besetzungen und Generalstreiks.
Die Maßnahmen sehen unter anderem vor, Renten von mehr als 1200 Euro pro Monat um 20 Prozent zu kürzen. Ruheständler, die jünger sind als 55 Jahre, müssen sich auf Kürzungen von 40 Prozent einstellen, wenn sie mehr als 1000 Euro erhalten. Die Steuerfreiheit für Einkommen wird von 8000 Euro auf 5000 Euro im Jahr gesenkt.
Außerdem sind schrittweise Entlassungen Zehntausender Beschäftigter im öffentlichen Dienst, weitere Einschnitte bei Löhnen und Renten sowie neue Steuererhöhungen vorgesehen. Gleichzeitig forderte die Gläubigertroika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) die Abschaffung von Mindestlöhnen und Tarifbindungen.
Ziel ist nach dem Gipfelbeschluss nun, Griechenlands Schuldenlast bis zum Jahr 2020 auf 120 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts zurückzufahren – das wäre so viel wie Italien heute hat. Laut Maastrichter Vertrag dürften die Schulden eigentlich nur bei 60 Prozent liegen.
Oppositionsführer Antonis Samaras schlug am Donnerstag in diese Kerbe. Mit den 120 Prozent werde Athen wieder da stehen, wo es bei Papandreous Amtsantritt 2009 gewesen sei. Die Regierung habe deshalb keinen Grund, sich mit der Einigung zu brüsten. „Die Regierung, die für diesen Schiffbruch verantwortlich ist, sollte nicht von Rettung sprechen.“ Der Deal mit der EU und den Banken zeige eigentlich nur, dass die „Politik der Regierung falsch war“.
Für Griechenlands Banken werden die kommenden Wochen und Monate noch turbulent werden. Nicht alle werden den Schuldenschnitt unbeschadet überstehen, denn sie halten fast 44 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen. Der Schuldenschnitt wird sie deshalb am härtesten treffen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein großer Teil der Bankaktien unter staatliche Kontrolle kommt“, sagte Papandreou. Nach einer Umstrukturierung würden die Aktien wieder auf den Markt gebracht. AFP