Hilfsarbeiter in Katar: Schikaniert und ausgenutzt
Ausländische Hilfskräfte in Katar arbeiten oft unter lebensgefährlichen Bedingungen und werden von ihren Arbeitgebern drangsaliert. Besonders davon betroffen ist die Baubranche.
Ausgebeutet, drangsaliert, schutz- und rechtlos: Die Lage der Arbeitsmigranten in Katar ist nach Einschätzung von Amnesty International katastrophal. Bei der Vorbereitung auf die Fußball-WM 2022 würden Menschenrechte grob und systematisch missachtet. Das gelte vor allem für die Baubranche. In einem am Sonntag in der katarischen Hauptstadt Doha vorgestellten Bericht dokumentiert die Organisation zahlreiche Fälle, wie Arbeiter schikaniert und ausgenutzt werden. „Viele ausländische Helfer erhalten oft monatelang kein Geld, werden aber trotzdem zur Arbeit gezwungen, indem man ihnen mit komplettem Lohnausfall oder Abschiebung droht“, sagt Regina Spöttl, Katar-Expertin von Amnesty Deutschland im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das Ausmaß der Ausbeutung im Emirat sei alarmierend und reiche bis hin zu Zwangsarbeit. Schätzungen zufolge leben 1,3 Millionen Arbeitsmigranten in dem Emirat, das sind mehr als 90 Prozent aller Berufstätigen im Land.
Viele Beschäftigte auf dem Bau tragen keinen Schutzhelm
In dem 170 Seiten umfassenden Report – er basiert auf Befragungen im Frühjahr und Sommer – werden die gesundheitsgefährdenden, nicht selten sogar lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in eigens recherchierten Fallstudien beschrieben. Auf vielen Baustellen, dort schuften überwiegend Inder und Nepalesen, würden zum Beispiel weder Schutzhelme noch ausreichend Trinkwasser zur Verfügung gestellt. Ähnlich prekär ist die Situation nach Darstellung von Amnesty auch in den oft überfüllten, slumähnlichen Gemeinschaftsunterkünften. Zum Teil gebe es dort nur selten Strom oder fließendes Wasser. Häufig lebten zehn bis 15 Menschen zusammengepfercht in einem winzigen Raum. Sanitäre Anlagen seien ebenfalls die Ausnahme – trotz der enormen Hitze gerade in den Sommermonaten.
Hinzu kommt die extrem eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Jobsuchenden. Schuld daran ist laut Expertin Spöttl ein rigides „Sponsorengesetz“. Damit werden ausländische Hilfskräfte verpflichtet, die Genehmigung des Arbeitgebers – sei es ein Privatmann oder eine Firma – einzuholen, wenn sie diesen wechseln oder das Land verlassen wollen. „Unternehmen haben damit umfassende Gewalt über die Arbeitnehmer“, betont Spöttl. Oft würden beispielsweise die bei der Einreise abgenommenen Pässe einfach einbehalten. „Die Menschen sitzen dann in der Falle.“
Amnesty will gesetzlichen Schutz für Arbeitsmigranten ausweiten
Der Bericht mit dem Titel „Die dunkle Seite der Migration“ macht nach Überzeugung von Amnesty International deutlich, dass der vorhandene gesetzliche Schutz für Arbeitsmigranten in Katar dringend erweitert werden muss. „Die Regierung des Golfstaats, aber auch der Weltfußballverband Fifa und die WM-Organisatoren müssen unverzüglich den Ausbau der Sportstätten und Infrastruktur zum Anlass nehmen, weitere Verstöße gegen Menschenrechte zu verhindern“, fordert Spöttl. Erst vor einigen Monaten hatte der Internationale Gewerkschaftsbund dem WM-Gastgeber vorgeworfen, die Beschäftigten skandalös schlecht zu behandeln. Generalsekretärin Sharan Burrow war damals mit dem Satz zitiert worden: „Katar ist ein Sklavenhändler-Staat.“ Der britische „Guardian“ berichtete dann im September, dass 44 Nepalesen in nur zwei Monaten wegen Herzinfarkts oder Arbeitsunfällen in Katar gestorben seien.
Mit Blick auf die Vorwürfe gegen Katar versichern die Verantwortlichen bei der Fifa stets, die Achtung der Menschenrechte und internationaler Normen sei fester Bestandteil ihrer Aktivitäten. Der Verband setze sich dafür ein, sichere und würdige Arbeitsbedingungen in den jeweiligen WM-Ausrichterländern zu gewährleisten. Das begrüßt Regina Spöttl zwar. „Doch die Fifa kann viel mehr tun und sollte daher nachdrücklicher als bisher ihren großen Einfluss geltend machen.“