Nach Weihnachtsmarkt-Absage-Forderung: Schausteller laufen Sturm gegen Karl Lauterbach
In einem offenen Brief plädiert der Schaustellerbund für geöffnete Weihnachtsmärkte. „Diese Familien haben Angst. Es geht um ihre Zukunft.“
„Jeder Weihnachtsmarkt, der nicht durchgeführt werde, sei ein guter Weihnachtsmarkt“ sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am 12. November in der Nachrichtensendung „ZDFlive“. In einem offenen Brief setzt sich der Deutsche Schaustellerbund jetzt zur Wehr.
Präsident Albert Ritter veröffentlichte das Schreiben an Karl Lauterbach am Sonntag. Und beschreibt, was eine Absage für die Schausteller bedeuten würde.
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„Ein solcher Satz ist ein Schlag ins Gesicht derer, die im Vertrauen auf die politischen Aussagen der vergangenen Monate, es werde keine Schließungen und keine Lockdowns mehr geben, in diesen Tagen diese Märkte aufbauen. Unsere Mitglieder, sämtlichst Familienbetriebe, sind seit nunmehr fast zwei Jahren mit einem Berufsverbot belegt und finanziell am Ende. Die Altersrückstellungen sind aufgebraucht, Lebensversicherungen gekündigt, die Konten leer beziehungsweise überzogen.“
Ritter beschreibt, wie die Familien „mit einem enormen Kraftakt“ die Geschäfte aufgebaut haben. Wie sie Personal eingestellt, Standmiete bezahlt haben. „Diese Familien erleben nun eine nicht mehr nachvollziehbare mediale Fokussierung auf ihre Märkte, obwohl doch schon seit vergangenem Jahr gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis ist, dass Veranstaltungen unter freiem Himmel, an frischester Luft nur in seltensten Fällen ein Infektionsgeschehen begünstigen.“
Ritter appelliert an das Gewissen des Gesundheitsexperten: „Diese Familien haben Angst. Es geht um ihre Zukunft.“
Die Corona-Zahlen sind höher als im vergangenen Pandemie-Winter. Die vierte Welle treffe Deutschland mit voller Wucht, sagte der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, am Freitag. Das Institut rät „dringend dazu, größere Veranstaltungen möglichst abzusagen oder zu meiden“.
Eine schwierige Entscheidung für die fast 3.000 Weihnachtsmärkte von Flensburg bis Garmisch: Nürnberg etwa hält am weltberühmten Christkindlmarkt bislang fest. Andererseits haben zahlreiche Städte und Gemeinden in Bayern schon die Notbremse gezogen.
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Albert Ritter: „Jeder, der in diesen Tagen über Wohl und Wehe unserer Weihnachtsmärkte und damit die Arbeitsplätze dieser Familien öffentlich nachdenkt oder entscheidet, möge bitte im gleichen Atemzug auch sagen, wie diese Existenzen gerettet werden – gerade auch, wenn er in Regierungsverantwortung steht!“
Der Brief des Präsidenten des Schaustellerbundes endet mit einem wirtschaftlichen Kapitulationsszenario: „Die Überbrückungshilfen müssen über das Jahresende hinaus verlängert und ausgebaut werden, auch um die erheblichen Investitionen dieser Wochen zu kompensieren. Sonst wird geschehen, was dank staatlicher Corona-Hilfen bisher erfolgreich vermieden werden konnte: Insolvenzen in Serie.“
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Die Weihnachtsmärkte waren schon in den vergangenen Jahren schwer gebeutelt: Spätestens seit dem Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz 2016 verwandelten sich die Märkte in Festungen mit Betonsperren und vermehrtem Einsatz von Sicherheitspersonal. Gebremste Gemütlichkeit. 2018 gab es einen weiteren Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt; 2017 wurden Pläne von Islamisten für einen Anschlag auf den Essener Weihnachtsmarkt aufgedeckt.
Trotz allem: Die Besucherzahlen blieben hoch. Nach Schätzungen wurden Weihnachtsmärkte jährlich von 160 Millionen Menschen besucht. (Tsp mit KNA)