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Die SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert und Swen Schulz haben vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Sondergremium geklagt, das in Eilfällen auf Antrag von Schuldenländern Mittel für den Euro-Rettungsfonds EFSF freigeben kann.
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Vor Verfassungsgericht: Schäuble verteidigt "Neuner-Gremium" für Euro-Rettung

Dieses Gericht kann alles kaputt machen. Das weiß Schäuble, deshalb hat er sich einmal mehr nach Karlsruhe aufgemacht, um den Schutzschirm über jenen aufzuspannen, die den Rettungsschirm beschlossen haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich skeptisch gezeigt, ob bei Eilmaßnahmen des Euro-Rettungsfonds EFSF für in Not geratene Schuldenländer die Beteiligungsrechte des Bundestags durch ein neunköpfiges Sondergremium hinreichend gewahrt sind. Dies wurde bei Verhandlung einer Klage zweier SPD-Abgeordneter in Karlsruhe deutlich. Der berichterstattende Richter des Verfahrens, Udo Di Fabio, sah eine „Gefahrenlage“, weil das Gremium „nahe am EFSF, nahe an der Europäischen Zentralbank“ entlangsegle. Damit drohe „eine exekutivische Überformung des Abgeordnetenmandats“. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte, Sachzwänge allein dürften nicht handlungsleitend sein. Die Forderung „Not kennt kein Gebot“ habe historisch gesehen den Menschen immer nur sehr kurzfristig Glück gebracht.

Im Organstreitverfahren der SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert und Swen Schulz verteidigte Wolfgang Schäuble das Sondergremium, das in Eilfällen auf Antrag von Schuldenländern Mittel für den Euro-Rettungsfonds EFSF freigeben kann. Obwohl Schäubles Regierung gar nicht verklagt wurde, sondern der Bundestag. Aber die Sache liege „im nationalen Interesse“, betonte der Minister. Seit es den EFSF gebe, sei es zu einer „Zuspitzung der Marktsituation“ gekommen. Der Refinanzierungsbedarf für Schuldenländer wie Italien sei gerade in den nächsten Monaten enorm. Und: „Märkte sind nicht rational. Sie reagieren, wie Menschen, oft übertrieben. Dann kommt es zu Panik.“

Und Panik ist das Letzte, was die Euro-Retter gebrauchen können. Ihr Gegenmittel lautet Vertraulichkeit. Man könnte auch von Geheimnissen sprechen. Aber wenn ein Parlament – oder ein aus ihm gebildetes Gremium – ein Geheimnis aus seinen Entscheidungen macht, dann steht das quer zu den Demokratie- und Transparenzanforderungen des Grundgesetzes.

Im Mai 2010 hatten die EU-Mitgliedsstaaten den EFSF mit einem möglichen Kreditvolumen von 440 Milliarden Euro beschlossen. Mittlerweile wurde der Fonds aufgerüstet, der deutsche Anteil wuchs von 123 auf 211 Milliarden Euro. Anfang September hatte das Bundesverfassungsgericht angemahnt, das Budgetrecht des Parlaments bei der Lösung der Schuldenkrise angemessen zu berücksichtigen. Dem wollte der Gesetzgeber gerecht werden, Not- und Eilfälle wollte er aber nicht dem Plenum oder dem Haushaltsausschuss überlassen – einem Gremium von mehr als 40 Abgeordneten –, sondern einer kleineren Runde, die vom Bundestag gemäß der Fraktionsstärken zu besetzen war. Neun Abgeordnete sollten in dringenden Fällen entscheiden dürfen. Ende Oktober hat das Bundesverfassungsgericht die Regeln auf Antrag von Danckert und Schulz vorläufig, bis zu einem Urteil, außer Kraft gesetzt. Die Rechte der Abgeordneten auf Mitbestimmung könnten sonst unwiederbringlich verloren gehen, hieß es.

Seitdem gelten Danckert und Schulz als SPD-Paria, als Leute, die aus dem Ruder gelaufen sind – allerdings wohl nicht für die Verfassungsrichter, die am Dienstag erkennen ließen, dass sie den Argumenten der beiden gut folgen können. Danckert, Mitglied des Rechtsausschusses, bat um Verständnis: „Ich habe das nicht so laufen lassen wollen.“ Seinem Ausschuss sei von den Fraktionsspitzen klargemacht worden, dass es nach Änderungen an der Parlamentsbeteiligung etwas „zweifelsfrei Verfassungskonformes“ abzusegnen gebe, wofür letztlich ein Nachmittag habe reichen sollen. Schulz meinte, auch in Eilfällen müsse es Diskussionen über Alternativen geben, auch wenn die Regierung dazu neigte, ihr Handeln als alternativlos herauszustellen. „Parlamentarier sind nicht lästig.“

Lesen Sie auf Seite zwei, warum Schäuble fehlende Vertraulichkeit mit der Karnevalszeit vergleicht.

So sieht es allerdings auch der Parlamentarische CDU- Fraktionsgeschäftführer Peter Altmaier nicht. Über nichts sei in seinen 17 Jahren als Abgeordneter so „ausdauernd, intensiv und umfänglich“ geredet worden wie über die Euro-Rettung, sagte Altmaier. Der Vorwurf, Hast und Eile beherrschten den Betrieb, gehe an der Realität vorbei. Man dürfe nicht vergessen, dass der Bundestag die Übernahmen für den EFSF im Grundsatz gebilligt habe, dann müsse aber in Ausnahmefällen „innerhalb von Stunden“ über Umfänge und Bedingungen für Gewährleistungen entschieden werden. Mit der steigenden Zahl der Abgeordneten wüchse die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte öffentlich würden.

„Vertraulichkeit ist die Voraussetzung, dass wir überhaupt solche Instrumente einsetzen können“, ergänzte Minister Schäuble. Beispielsweise seien Sekundärmarktanalysen der Europäischen Zentralbank zum Anleihekauf „hoch vertraulich“. Eine öffentliche Ankündigung „wäre etwas für die Karnevalszeit, aber keine verantwortliche Politik“. Das kleine Gremium sei nötig, um den EFSF „handlungsfähig“ zu machen.

Der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder, hielt Danckert und Schulz entgegen, man hätte das Thema „in Ruhe diskutiert und gerade nicht durchgepeitscht“. Ein kleines Gremium sei schneller als ein großes – und das Gremium könne schließlich widersprechen, wenn eine Maßnahme nicht eilbedürftig sei und im Plenum verhandelt werden könne. Der Prozessvertreter der Kläger, Michael Uechtritz, forderte, je wichtiger eine Angelegenheit sei, desto eher gehöre sie ins Plenum. „Da gibt es noch Austausch.“

So deutete Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle an, es seien nicht nur „einige spezielle Fragen des Parlamentsrechts“ zu erörtern. Es gehe auch durchaus grundsätzlicher darum, wann das Plenum und wann andere Bundestagsgremien zu befassen seien. Verfassungsrechtliche Maßstäbe dazu seien „noch nicht herausgearbeitet“. Der Eilbeschluss von Ende Oktober muss nicht das Ende des Neuner- Gremiums sein. Die Richter machten auch klar, dass sie die Nöte der Politik und die „Ansteckungsgefahr“ in den Schuldenmärkten nachvollziehen können. Deshalb gilt eine Entscheidung als offen.

Italiens prekäre Lage am Finanzmarkt hat unterdessen den Druck auf die Euro- Finanzminister erhöht, eine deutlich höhere Schlagkraft des EFSF sicherzustellen. Die Regierung in Rom musste Investoren Rekordzinsen zahlen, um diese zum Kauf ihrer Staatsanleihen zu bewegen. Bei einem Treffen der Euro-Gruppe in Brüssel stand das Vorhaben auf der Tagesordnung, den EFSF durch einen Finanzhebel zu stärken. Unklar war, ob dabei die angestrebte Wirkung von rund einer Billion Euro erreicht wird. Damit angeschlagene Euro-Länder weiter Geld geliehen bekommen, sollen Investoren mit einer Versicherung auf deren Staatsanleihen gelockt werden. Demnach würde der Fonds im Falle einer Staatspleite einen Teil des Verlusts der Anleger übernehmen. (mit AFP)

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