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Das türkische Parlament hat sein "Ok" gegeben und Präsident Recep Tayyip Erdogan für ein Jahr erlaubt, Soldaten nach Libyen zu schicken.
© dpa

Türkei will Truppen nach Libyen senden: Schädliche Kanonenbootpolitik

Präsident Erdogan will mit der Libyen-Aktion seinen Einfluss im östlichen Mittelmeer ausweiten. Aber eine Machtdemonstration ist noch kein Konzept. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Die Türkei besteht trotz der Warnungen ihrer Nachbarstaaten, der EU und der USA auf ihrer aggressiven Politik im östlichen Mittelmeer. Die Parlamentsentscheidung zur Truppenentsendung nach Libyen heißt zwar nicht, dass türkische Soldaten tatsächlich mit Kampfauftrag in das nordafrikanische Land geschickt werden. Doch selbst wenn diese Zuspitzung vermieden werden kann, geht die Türkei mit ihrer Strategie große Risiken ein.

Manche Beschwerden über das türkische Verhalten sind scheinheilig: Die Türkei unterstützt die von den UN anerkannte Einheitsregierung in Tripolis. Präsident Erdogan ist bei weitem nicht der einzige ausländische Akteur, der in Libyen mitmischt. Ohne die Hilfe aus Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten wäre der Rebellengeneral Chalifa Haftar kaum in der Lage, die Einheitsregierung in Bedrängnis zu bringen. Auch die EU-Führungsmacht Frankreich stützt Haftar.

Es geht um Gasvorräte unter dem Meeresboden

Erdogan will mit der Libyen-Aktion den türkischen Einfluss im östlichen Mittelmeer ausweiten. Gegen den Widerstand von Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten will Ankara erzwingen, dass die Türkei an der Ausbeutung reicher Gasvorräte unter dem Meeresboden beteiligt wird. Im November erklärte die Türkei in einem Abkommen mit der libyschen Einheitsregierung große Teile des gasreichen Meeresgebiets zum eigenen Hoheitsgebiet.

Die anvisierte Truppenentsendung nach Libyen unterstreicht den türkischen Machtanspruch in der Region und soll der Einheitsregierung in Tripolis im Abwehrkampf gegen Haftars Truppen helfen. In Libyen könnten türkische Soldaten allerdings in Kämpfe mit russischen Söldnern verwickelt werden, die auf Haftars Seite stehen.

Planloses Hin und Her

Solche Zusammenstöße will Ankara vermeiden, denn die Türkei braucht das Wohlwollen Russlands im Syrien-Konflikt. Kurz vor einem Besuch von Kremlchef Wladimir Putin bei Erdogan an diesem Mittwoch signalisierte die türkische Regierung deshalb, dass sie trotz Parlamentsmandat möglicherweise auf die Entsendung von Kampftruppen verzichten werde.

Das Hin und Her zeigt, wie kurzatmig und planlos die türkische Außenpolitik in dieser Frage ist. Eine Machtdemonstration ist an sich noch kein Konzept. Kann die Türkei wirklich über Libyen mehr Druck auf ihre Nachbarn machen? Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten erhalten Rückendeckung von der EU und den USA; derzeit ist es unwahrscheinlich, dass sie sich mit militärischen Drohgebärden dazu bringen lassen, Ankara am neuen Gas-Reichtum teilhaben zu lassen. Die Türkei hat berechtigte Interessen im östlichen Mittelmeer – aber mit ihrer Kanonenboot-Politik wird sie ihre Isolation verstärken und diesen Interessen mehr schaden als nutzen.

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