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Ein Mädchen erzählt im Interview von ihrer Rückkehr nach Afghanistan.
© Save the Children
Update

Studie über Rückkehrer nach Afghanistan: „Save the Children“: Deutschland verletzt Kinderrechte

Nach der Rückkehr nach Afghanistan erfahren viele Kinder Gewalt und Nötigung. "Die EU-Staaten geben ihre Verantwortung am Flughafen ab", sagt die Organisation.

Deutsche Jugendliche warten sehnsüchtig auf ihren 18. Geburtstag. Endlich können sie alleine Auto fahren, bis zum Sonnenaufgang in den Clubs tanzen und selbstständig einen Mietvertrag abschließen. Afghanischen Jugendlichen in Deutschland geht es anders: Sie haben Angst vor diesem Tag. Denn mit der Volljährigkeit endet der Schutz vor der Abschiebung. Vielleicht müssen sie wieder zurück nach Afghanistan, in ein Land, das für sie fremd und gefährlich ist.

Was Kinder und Jugendliche nach der Rückkehr nach Afghanistan erleben, hat die Kinderrechts-Organisation „Save the Children“ erforscht. Experten der Organisation haben 57 Interviews mit aus Deutschland und anderen europäischen Staaten zurückgekehrten Kindern geführt. Die Ergebnisse der Studie stellte Meike Riebau, Rechtsexpertin der Organisation, am Dienstagvormittag in Berlin vor. Ihr Fazit ist, dass Kinder nach der Rückkehr in Afghanistan Opfer von Gewalt und Zwangsrekrutierung durch terroristische Gruppen werden. Im Prozess der Rückführung verletzten Deutschland und die anderen europäischen Länder die Kinderrechte erheblich, beklagt „Save the Children“.

"Die Staaten Europas geben die Verantwortung am Flughafen ab.“

„Afghanistan ist ein sehr gefährliches Land, vor allem für Kinder“, sagt Riebau. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind dort mit 1692 Menschen in der ersten Jahreshälfte 2018 so viele Zivilisten getötet worden wie nie zuvor. „Save the Children“, die nach eigenen Angaben größte unabhängige Kinderrechts-Organisation der Welt, fordert daher die Bundesregierung und die anderen EU-Staaten auf, Kinder nicht mehr in das südasische Land zurückzuschicken.

Dies ist nach deutscher Gesetzeslage momentan nur erlaubt, wenn die Kinder freiwillige Rückkehrprogramme wie zum Beispiel „Starthilfe Plus“ nutzen – oder wenn sie 18 Jahre alt werden. „Die Schutzbedürftigkeit endet aber nicht mit einem Tag auf den anderen“, sagt Riebau.

Auch die freiwilligen Rückkehrprogramme mit finanziellen Anreizen sieht sie kritisch. Zum einen sei es wegen der gefährlichen politischen Situation ein falsches Zeichen, Menschen zu motivieren, zurück in das Land zu gehen. Zum anderen seien die Programme der Bundesregierung nach Maßstäben des Kinderrechts sehr bedenklich, da beispielsweise eine psychosoziale Betreuung der Kinder nahezu vollständig fehlt. „Die Staaten Europas geben die Verantwortung am Flughafen ab“, beklagt Riebau. Die Kinder landeten in Kabul und seien ab dann sich selbst überlassen.

Ein Junge blickt nach seiner Rückkehr auf eine afghanische Stadt. Die Kinder fühlen sich oft fremd.
Ein Junge blickt nach seiner Rückkehr auf eine afghanische Stadt. Die Kinder fühlen sich oft fremd.
© Save the Children

Kinder fühlen sich in Afghanistan nicht sicher

Die Folgen sind erschreckend. Drei Viertel der Befragten gaben an, sich in Afghanistan nicht sicher zu fühlen. Mehr als die Hälfte der Kinder hatte in der Zeit nach der Rückkehr bereits Gewalt erfahren oder wurde Ziel von Anwerbeversuchen durch terroristische Gruppen. Um das zu ändern, fordert „Save the Children“ ein europaweit einheitlich geregeltes Rückkehrverfahren, das die Kinderrechte berücksichtigt, eine bessere Begleitung und eine Koordination mit den afghanischen Behörden.

Aktuelle Daten über die Anzahl der zurückgeführten Kinder und darüber, wie viele minderjährige Afghanen überhaupt in Deutschland und den anderen EU-Staaten leben, gibt es nicht. „Es ist die Aufgabe der Regierungen, darüber Daten zu sammeln und zu veröffentlichen“, sagt Riebau. Noch wichtiger sei aber, sofort die Rückkehr der Kinder zu stoppen.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels konnte verstanden werden, dass Deutschland Kinder nach Afghanistan zurückführt (juristisch gesehen identisch mit einer Abschiebung). Dies ist nicht der Fall, Deutschland schiebt keine Kinder bis 18 Jahre nach Afghanistan ab. [18.10.2018]

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