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US-Präsident Barack Obama äußerte sich zum Atomabkommen mit dem Iran: "Das Abkommen basiert nicht auf Vertrauen, sondern auf Überprüfung."
© REUTERS/Andrew Harnik/Pool
Update

Atom-Deal mit dem Iran: Sanktionen gegen den Iran werden aufgehoben

Nach den Marathonverhandlungen über ein Atomabkommen mit dem Iran ist nun eine Einigung erzielt worden. Die internationalen Reaktionen schwanken zwischen Hoffnungen und Skepsis

Der Atomstreit mit dem Iran ist nach 13-jährigem diplomatischen Ringen beigelegt. Die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran erzielten in zuletzt mehr als zweiwöchigen Marathonverhandlungen in Wien eine historische Einigung zur deutlichen Verringerung der Atomkapazitäten der Islamischen Republik. Das bestätigten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Dienstag. Das Abkommen sei offiziell besiegelt, teilte das Auswärtige Amt mit.

Obama: Sanktionen aufgehoben, Inspektion zugelassen

Der Iran hat nun zugesagt, die Zahl seiner Zentrifugen zur Urananreicherung für zehn Jahre um zwei Drittel zu reduzieren. Zudem sollen die verbleibenden Bestände angereicherten Urans sollen zu mehr als 95 Prozent verdünnt oder ausgeführt werden. Im Gegenzug werden die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben, sagte US-Präsident Barack Obama in einer Presseerklärung im Weißen Haus. Die Sanktionen werden schrittweise aufgehoben, sobald die IAEA bestätigt, dass der Iran seine Verpflichtungen erfüllt hat.Diese Sanktionen würden aber sofort wieder greifen, wenn der Iran das Abkommen verletze. Inspektionen der Atomanlagen würden stattfinden, wann immer und wo immer es nötig sei, kündigte Obama an. Das Abkommen basiere nicht auf Vertrauen, sondern auf Überprüfung. "Mit dem Abkommen ist es uns gelungen, die Verbreitung von Atomwaffen in dieser Region zu verhindern." Obama geht es derzeit vor allem darum, die Kongress-Mitglieder davon zu überzeugen, dass der Deal wasserdicht ist. 60 Tage hat der US-Kongress nun Zeit, das Abkommen abzusegnen. Obama drohte am Dienstag mit einem Veto, falls er Kongress das Atomabkommen noch zu kippen versuchen sollte.

Irans Präsident Hassan Ruhani begrüßte das Ende der Sanktionen, die nur das Volk belastet hätten, aber ansonsten erfolglos geblieben seien. Der Atomstreit sei zu einer Iran-Phobie hochgespielt worden. „Uns wurde unterstellt, dass wir Massenvernichtungswaffen herstellen. Wir haben beides durch Verhandlungen widerlegt.“ Die fünf UN-Vetomächte und Deutschland (5+1-Gruppe) verhandeln bereits seit 17 Tagen ununterbrochen mit dem Iran. Wegen anhaltender Differenzen war die eigentlich zum 30. Juni terminierte Verhandlungsrunde bereits mehrmals verlängert worden. Die Atomverhandlungen gehören schon jetzt zu den längsten internationalen Verhandlungen auf Ministerebene an einem Ort.
Ziel ist ein Abkommen, das dem Iran die zivile Nutzung der Atomtechnologie erlaubt, aber die Entwicklung von Atomwaffen verhindert. Zu den verbleibenden Streitpunkten gehörten der Zeitplan für die Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen Teheran, die Inspektion iranischer Militäranlagen und die Laufzeit des Abkommens.

Österreichische Polizistinnen vor dem Palais Coburg in Wien. Heute soll dort eine Einigung mit dem Iran verkündet werden.
Österreichische Polizistinnen vor dem Palais Coburg in Wien. Heute soll dort eine Einigung mit dem Iran verkündet werden.
© Joe Klamar/AFP

Warnung vor zu viel Euphorie

Nach Einschätzung des Rüstungskontrollexperten Oliver Thränert ist die erreichte Vereinbarung zwar nicht optimal. “Aber immerhin wird der Iran jetzt zu mehr Offenheit und Transparenz verpflichtet.” Auch werde festgelegt, dass Teheran seine Urananreicherung stark einschränken muss und somit in den nächsten Jahren nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangen kann. Das sei ein diplomatischer Erfolg. “Andere Optionen, etwa die Islamische Republik gewähren zu lassen oder militärisch einzugreifen, wären deutlich schlechter gewesen”, sagt der Leiter des Think Tanks am Center für Security Policy der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Entscheidend sei allerdings, dass sich Teheran tatsächlich an die Übereinkunft hält. Das gelte vor allem für die vorgesehenen Kontrollen durch die Atomenergiebehörde. Thränert verwies im Gespräch mit dem Tagesspiegel zudem darauf, dass Saudi-Arabien als regionaler Rivale des Iran mit der Wiener Einigung wohl nicht zufrieden sein wird. “Deshalb ist es denkbar, dass Riad versuchen wird, sich Optionen für den Erwerb von Nuklearwaffen zu verschaffen.”

Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, warnte vor zu viel Euphorie. „Leider ist dieses Abkommen kein verbindlicher internationaler Vertrag. Deshalb muss der Westen bereit sein, umgehend die Sanktionen wieder einzuführen, sollte der Iran sich nicht daran halten“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Intention der Vereinbarung sei zwar richtig. „Aber wie sagt das Sprichwort doch: Der Weg zur Hölle ist mit lauter guten Vorsätzen gepflastert. Hoffen wir, dass dieser Deal das Papier wert ist, auf dem er geschrieben ist.“ Er bleibe allerdings zutiefst skeptisch, dass der Iran sein Katz-und-Maus-Spiel der vergangenen Jahre aufgibt und diesen Deal tatsächlich umsetzt.

Auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft äußerte sich skeptisch. „Ich kann nicht in den optimistischen Chor der Befürworter des Atomdeals einstimmen, weil das Abkommen zunächst einmal nur bedrucktes Papier ist“, sagte Reinhold Robbe dem Tagesspiegel. Erst die Praxis werde zeigen, welche "politische Halbwertzeit“ die Vereinbarung tatsächlich haben kann. Schon jetzt seien Mängel offensichtlich, zum Beispiel das Vetorecht der iranischen Regierung bei Inspektionen der Atomanlagen durch die  westlichen Kontrolleure. Robbe verwies außerdem darauf, dass der Iran „bis zum heutigen Tag terroristische Organisationen wie die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Gaza massiv unterstützt“. Ebenso erkläre Teheran immer wieder, Israel von der Landkarte tilgen zu wollen. „Diese Vernichtungsstrategie hat offensichtlich bei den Verhandlungen bedauerlicherweise keine Rolle gespielt.“

IAEA erhält Zugang zu Militäranlage

Parallel zu den Verhandlungen der 5+1-Gruppe mit Teheran haben die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und der Iran haben am Dienstag eine Vereinbarung unterzeichnet, die eine zentrale Rolle beim Atomdeal spielen wird. In den nächsten Monaten werde die IAEA unter anderem Zugang zur Militäranlage im iranischen Parchin erhalten, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano. Damit soll der Verdacht geklärt werden, ob die Islamische Republik in der Vergangenheit an der Entwicklung von Atomwaffen geforscht hat. „Dies ist ein entscheidender Schritt zur Klärung ausstehender Fragen“, sagte Amamo. Ergebnisse sollen bis Ende 2015 vorliegen. Wenn die IAEA grünes Licht gegeben hat, werden die Sanktionen des Westens gelockert.

Sogar konservative Reformgegner in Teheran zollten der Einigung Respekt: „Das Atomteam hat in einer einzigartigen Art und Weise und mit viel diplomatischem Geschick die Interessen des Landes erfolgreich verteidigt“, meldete sich die konservative Partei Isargaran (Selbstlose) am Dienstag in einer Mitteilung zu Wort. Dafür verdienten Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und sein Team den Dank des ganzen Volkes, zitierte die Nachrichtenagentur Isna weiter aus der Erklärung.

Skeptische Reaktionen aus Israel

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat das Atom-Abkommen mit dem Iran als historischen Fehler gegeißelt. "Dem Iran wird damit ein sicherer Weg eröffnet, Atomwaffen zu erlangen", kritisierte Netanjahu am Dienstag in Jerusalem. Viele der Beschränkungen, die genau das verhindern sollten, würden nun aufgehoben. "Der Iran gewinnt den Jackpot, Hunderte Milliarden Dollar, mit denen das Land weiter Aggression und Terror in der Region und der Welt vorantreiben kann. Dies ist ein schlimmer Fehler historischen Ausmaßes."
Ein israelischer Iran-Experte erwartet die „Mutter aller Lobbyschlachten“ von Seiten der Gegner des Deals. Israels Ministerpräsident Netanjahu werde mit Sicherheit alles versuchen, um die Vereinbarung noch mit Hilfe des US-Kongresses zum Scheitern zu bringen, sagte der Politikwissenschaftler Meir Javedanfar, der an den Hochschulen in Herzlija und Haifa unterrichtet. „Ich denke, in den kommenden zwei Monaten werden wir Zeugen einer historischen „Mutter aller Lobbyschlachten“ werden."
(mit Reuters/AFP/dpa)

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