Atomabkommen mit Iran: Sanktionen gegen autokratische Regime sind überschätzt
Die USA wollen den Iran mit Handelsbeschränkungen in die Knie zwingen. Doch die Krim-Krise sollte der EU Warnung genug sein, dabei nicht mitzumachen. Ein Kommentar.
Am vergangenen Freitag hat die EU es also getan. Sie hat das Blocking Statute, ein Gesetzespaket aus dem Jahr 1996, reaktiviert. Damals war es im Streit um US-Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen worden. Es fand aber keine praktische Anwendung, weil sich die EU mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton im Streit um die Sanktionen rechtzeitig einigen konnte.
Das Blocking Institute in seiner aktuellen Fassung sieht vor, europäischen Unternehmen unter Strafe zu verbieten, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten, die nach dem einseitigen Ausstieg Donald Trumps aus dem Atomabkommen wieder eingeführt werden. Gleichzeitig sieht das Gesetz vor, den betroffenen Konzernen dadurch entstandene Kosten und Verluste zu ersetzen.
Auf den ersten Blick mag das nach einer sinnvollen Antwort auf Trumps irrationale, isolationistische Außenhandelspolitik klingen. Ist es etwa nicht unverschämt, dass der, der aus dem Iran-Abkommen ausgestiegen ist, mithilfe von Sanktionen die verbliebenen Unterzeichner und über die UN de facto die ganze Welt dazu zwingen will, nicht mehr mit dem Iran Handel zu treiben?
Eigene Gesetze gelten für alle - das hat in den USA Tradition
Aber schon bei der praktischen Umsetzung des Blocking Institute stellen sich zahlreiche Fragen: Wer soll die Entschädigungen an die Unternehmen zahlen? Wie weist man einem Konzern nach, dass er sein Irangeschäft allein aufgrund der US-Sanktionen einstellt? Wie will die EU sicherstellen, dass europäische Unternehmen, die im Iran und in den USA aktiv sind, in den USA nicht trotzdem benachteiligt werden?
Eine derartige Eskalation der Sanktionspolitik übersieht aber vor allen Dingen, dass die extraterritoriale Anwendung des US-Rechts, unabhängig von Trump, schon viel länger ein sich stetig verschlimmerndes Problem für das Völkerrecht darstellt. Wer das ändern will, muss die Beweggründe der USA dabei verstehen. Die Ausdehnung der eigenen Gesetze ist nicht nur eine Machtprojektion Washingtons auf den Rest der Welt, nein, sie ist tief verankert in der amerikanischen Rechtsgeschichte. Schon bei der Besiedlung des Westens wandten Siedler US-Gesetze in Gebieten an, die formal noch gar nicht zu den USA gehörten.
In den Händen einer Supermacht ist diese Form der Rechtsausdehnung ein gefährliches Instrument. Das zeigt sich gerade am Beispiel der Sanktionen, weil sie zu einer Politisierung des Wirtschaftslebens führt. Für Trump sind sie nur Mittel zum Zweck und eine Fortsetzung des von ihm angezettelten Handelsstreits mit anderen Mitteln, um seine „America first“-Ideologie voranzutreiben.
Hinzu kommt, dass die Wirksamkeit von Sanktionen in Bezug auf die erklärten politischen Ziele völlig überschätzt wird. Nach einer empirischen Untersuchung des US-Ökonomen Gary Hufbauer, der an 204 Fällen Erfolge und Misserfolge von Sanktionen untersucht hat, haben die Sanktionen nur in 13 Fällen ihre Ziele auf ganzer Linie erreicht. Oder wie es der US-Ökonom Kenneth Rogoff einmal treffend formuliert: „Unglücklicherweise sind Handelsbeschränkungen selten ein chirurgisch präzises Mittel. Weit öfter profitieren die Reichen und gut Vernetzten.“
Nach der Krim-Annektion litt vor allem die Bevölkerung unter Sanktionen
Bestes Beispiel dafür ist Russland. Als Folge der Krim-Annektion hat der Westen 2014 Handelssanktionen gegen Moskau erlassen, Einreiseverbote gegen Politiker, Militärs und Oligarchen verhängt sowie deren Vermögenswerte im Ausland eingefroren. Die Wirkung ist begrenzt. Zwar fiel die russische Wirtschaft 2014 in eine Rezession, was aber vor allem dem Absturz des Ölpreises geschuldet war. Gelitten hat darunter jedoch vor allem die Bevölkerung. Selbst das konnte der russische Präsident Wladimir Putin für sich nutzen. Durch den Druck aus dem Westen versammeln sich die Russen hinter Putin. Er ist populärer denn je und sieht überhaupt keinen Anlass, seinen Kurs zu ändern. Den Schaden trägt die deutsche Wirtschaft: Nach einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel sind die deutschen Exporte um etwa 7,5 Milliarden Euro niedriger wegen der Sanktionen.
Ohnehin sollte man bei dieser Diskussion ehrlicherweise darauf hinweisen, dass sich gerade die Deutschen die immer weiter um sich greifende moralisierende Sanktionitis gegen autokratische Regime gar nicht leisten können. Drei der fünf wichtigsten Exportmärkte Deutschlands außerhalb der EU sind China, Russland und die Türkei.
Statt an Trumps Sanktionswettlauf teilzunehmen, wäre es daher sinnvoller, wenn sich die EU für multilaterale Lösungen starkmacht. Sonst laufen die Europäer Gefahr, dass der erratische Satz Jean-Claude Junckers zu Trumps Strafzöllen sich doch bewahrheitet: „So blöd können wir auch, so blöd müssen wir auch sein.“