Politik: Sanfte Töne, starre Kreise
Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei gibt sich offener als sein Vorgänger – in seinem Team regieren die Konservativen.
Eine Stunde lang ließ Chinas neuer Führer Xi Jinping die Öffentlichkeit im Ostsaal der Großen Halle des Volkes in Peking warten. Einige Beobachter der ereignislosen Live-Übertragung im Fernsehen vertrieben sich im Internet unter der Twitter-Adresse „#whyxijinpingislate“ die Zeit. „Er muss noch warten, bis Florida ausgezählt ist“ oder „Hu knows“ – ein Wortspiel mit dem Namen seines Vorgängers Hu Jintao – zählten zu den witzigeren Erklärungen der Verspätung. Doch als der 59 Jahre alte Xi Jinping erschien, machte er die Wartezeit schnell vergessen. „Hallo zusammen“, sagte er zur Begrüßung, „entschuldigt bitte, dass wir euch warten ließen.“ Viele staunten: Eine Entschuldigung von Chinas autoritärer Führung?
In seiner ersten Rede als neuer Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas hat der Kamerad Xi Jinping einen neuen Stil erkennen lassen. Souveräner, offener und moderner als sein Vorgänger wirkte der neue starke Mann der chinesischen Politik. Im chinesischen Internet begrüßten viele den Auftritt. „Ehrlich und geradeaus“, kommentierte ein anonymer Nutzer, „der Ton ändert sich, die Herzen der Menschen werden gewärmt.“ Weil Xi Jinping sogleich populäre Themen wie Korruption oder Gesundheitsversorgung ansprach, verglichen ihn einige Chinesen sogar mit US-Präsident Barack Obama. Doch die erstmals bekannt gegebene Zusammensetzung der Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros macht deutlich, dass dem neuen Ton in China so bald keine neue Politik folgen dürfte.
Wie von vielen Beobachtern erwartet, haben sich bei der Besetzung des Ständigen Ausschusses des Politbüros die konservativen Kräfte durchgesetzt. In dem vom neun auf sieben Mitglieder verkleinerten Machtzentrum von Partei und Staat finden sich in dem in Nordkorea ausgebildeten Wirtschaftsspezialisten Zhang Dejiang, dem Propagandachef Liu Yunshan und Tianjins Parteichef Zhang Gaoli drei Politiker wieder, die dem konservativen Lager zugerechnet werden.
Stattdessen haben es die beiden sogenannten „Reformer“, Guangdongs Parteichef Wang Yang und Li Yuanchao, Leiter der Organisationsabteilung der Partei, nicht in den engsten Machtzirkel geschafft. „Das macht das neue Team wahrscheinlich konservativer“, sagt der Politik-Analyst Zhang Lifan, „dass beide nicht reingekommen sind, wird die Stärke zukünftiger politischer Maßnahmen beeinträchtigen.“ Neben dem künftigen Premierminister Li Keqiang vervollständigen Schanghais Parteichef Yu Zhengsheng und der Wirtschaftsspezialist Wang Qishan den neuen inneren Kreis der Partei.
Weil der scheidende Staatspräsident Hu Jintao auch seinen Vorsitz in der Zentralen Militärkommission an Xi Jinping übergeben hat, tritt der neue Parteichef gestärkt aus dem am Mittwoch beendeten 18. Parteitag hervor. „Seine Macht ist zwar immer noch begrenzt“, sagt Li Weidong, liberaler ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift „China Reform“, „aber er hat mehr Macht als zuvor Hu Jintao.“ Auch die Verkleinerung des Ständigen Ausschusses mache es Xi Jinping einfacher, bei wichtigen Entscheidungen Einigkeit im zentralen Machtgremium herzustellen. Andere Analysten sehen die Führung in zwei Lager geteilt, was politische Reformen noch schwerer machen würde.
Klar ist hingegen, dass sich die vom ehemaligen Parteichef Jiang Zemin unterstützte sogenannte Schanghai-Gang durchgesetzt hat. Außer Li Keqiang haben alle Mitglieder des Ständigen Ausschusses Verbindungen zu dieser Gruppe. Die inoffizielle Fraktion von Hu Jintaos kommunistischer Jugendliga, die Tuan- Gruppe, konnte ihre Kandidaten nicht durchsetzen. „Xi Jinping und Jiang Zemin haben sich die Hände gereicht, um Hu Jintaos Gruppe zurückzustoßen“, kommentiert der Politik-Analyst Li Weidong.
Erneut hat es keine Frau in den innersten Machtzirkel der Kommunistischen Partei geschafft. Im 25 Mitglieder zählenden Politbüro hat sich die Zahl der Frauen immerhin verdoppelt. Mit Sun Chunlan findet sich nun eine zweite weibliche Entscheidungsträgerin im zweitwichtigsten Gremium der Partei. Weil abgesehen von Xi Jinping und Li Keqiang alle Mitglieder des Ständigen Ausschusses über 64 Jahre alt sind, werden sie in fünf Jahren die Altersgrenze von 68 Jahren überschritten haben. Beim 19. Parteikongress im Jahr 2017 müssen deshalb fünf neue Mitglieder für den engsten Machtzirkel gesucht werden.
Bis dahin warten auf Xi Jinping allerdings schwere Aufgaben. „Das Volk will bessere Bildung, sicherere Arbeitsplätze, höhere Einkommen, größere soziale Sicherheit, wirksamere medizinische und gesundheitliche Versorgung, verbesserte Wohnbedingungen und eine sauberere Umwelt“, erklärte Xi Jinping. Um das alles zu verbessern, müsste er weitreichende Reformen einleiten. Und dabei könnten ihn die konservativen Kräfte stoppen, die vom Status quo profitieren.
Benedikt Voigt
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