Italien: Salvini ordnet Umzug von Flüchtlingen aus Riace an
Das Dorf Riace galt bis zur Festnahme des Bürgermeisters als Musterbeispiel für Integration in Europa. Kritiker vermuten eine politische Motivation.
Nach der Festnahme des Bürgermeisters von Riace hat das italienische Innenministerium angeordnet, die Migranten aus dem süditalienischen Dorf in Flüchtlingsunterkünften unterzubringen. Wie das Ministerium am Samstag mitteilte, sollen die Umzüge in der kommenden Woche beginnen. Riaces Bürgermeister Domenico Lucano, der durch die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen europaweit bekannt geworden war, war vor zehn Tagen festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Lucano wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Scheinehen zwischen Bewohnern seines Dorfes und Migrantinnen arrangiert zu haben. Außerdem soll er die Müllentsorgung in Riace ohne Ausschreibung an Kooperativen von Migranten vergeben haben.
Riace nahm hunderte Menschen auf
Lucano hatte das 1800-Einwohner-Dorf in Kalabrien in den vergangenen Jahren zu einem Musterbeispiel für die Integration von Flüchtlingen gemacht. Er nahm dutzende Menschen etwa aus Afghanistan, Eritrea und dem Irak auf und quartierte sie in leerstehenden Häusern in dem von Abwanderung betroffenen Dorf ein. Die Dorfschule wurde wieder geöffnet, von Flüchtlingen und Dorfbewohnern neu eröffnete Geschäfte und Ateliers zogen Touristen an. Laut italienischen Medien sollen mehr als 200 Einwanderer in dem kleinen Dorf wohnen.
Lucanos Idee war, das aussterbenden Dorf mit der Hilfe von Migranten wiederzubeleben. Viele Menschen, darunter auch Prominente wie Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano, hatten gegen seine Festnahme protestiert. Sie sehen darin eine politische Motivation der rechten Regierung. Lucano hatte in Deutschland den Dresdner Friedenspreis gewonnen. Er selbst erklärte, die Regierung wolle lediglich seine migrantenfreundliche Projekte zerstören.
Lucano wurde 2016 wurde er von der Zeitschrift "Fortune" in die Liste der 50 einflussreichsten Persönlichkeiten aufgenommen, der deutsche Regisseur Wim Wenders drehte einen Film über ihn.
Salvini verfolgt flüchtlingsfeindlichen Kurs
Seit dem Sommer regiert in Italien eine Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen Lega. Vor allem Vizeregierungschef und Innenminister Matteo Salvini von der Lega-Partei verfolgt einen flüchtlingsfeindlichen Kurs. Er lässt etwa keine Schiffe von Hilfsorganisationen mehr in italienische Häfen und will Asylbewerber in größeren Flüchtlingszentren unterbringen.
„Wer einen Fehler macht, muss dafür bezahlen“, sagte Salvini nun. „Man darf keine Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung öffentlicher Gelder dulden, auch nicht wenn es die Entschuldigung gibt, sie für Migranten auszugeben.“
Im Fall von Riace will Salvini offenbar verhindern, dass sich andere italienische Städte und Dörfer die Modellgemeinde zum Vorbild nehmen. Salvini hatte Lucanos Festnahme begrüßt und die "Gutmenschen" kritisiert, "die Italien mit Einwanderern vollstopfen wollen". (AFP, dpa)