Linke und NSA: Sahra Wagenknecht: USA sind ein Regime der Angst
Sahra Wagenknecht greift in die Diskussion um den NSA-Skandal ein - in der von ihr gewohnten Schärfe. Die Linken-Politikerin meint, die Überwachung von Millionen Bundesbürgern übertreffe selbst die Fantasie George Orwells und lasse totalitäre Systeme vor Neid erblassen.
In der Diskussion um den NSA-Skandal hat sich Linken-Fraktionschef Gregor Gysi immer um abgewogene Wortwahl bemüht. Eben erst nannte er den Geheimnisverrat den Whistleblowers Edward Snowden eine "politische Straftat", allerdings eine, "die uns nutzt" und die man deshalb "moralisch hoch bewerten muss". Für Snowden sei deshalb Asyl in Deutschland notwendig oder "zumindest ein Zeugenschutzprogramm", sagte Gysi dem "Spiegel". Sahra Wagenknecht, Gysis Stellvertreterin in der Fraktion, aber setzte jetzt deutlich eins drauf. In einem Gastbeitrag für die Zeitung "Neues Deutschland" attackierte sie die USA scharf. Sie sprach von einem "Regime der Angst". Die Überwachung des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie von Oppositionspolitikern sei nur die Spitze des Eisbergs: "Der eigentliche Skandal ist die Überwachung von Millionen Bundesbürgern, die selbst die Fantasie Orwells übertrifft und totalitäre Systeme vor Neid erblassen lässt." Die NSA-Aktivitäten würden auch die Illusion von der freien Welt des Internets Lügen strafen: Konzerne wie Facebook, Yahoo und Google würden mit den Geheimdienste kooperieren beziehungsweise angezapft.
Wagenknecht lobt den "Mut des jungen Mannes" und einstigen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden - und forderte in dem Beitrag für die Linken-nahe Zeitung eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und den USA. Die geheimdienstliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland sei aufzukündigen. Zudem müsse die Bundesanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen gegen die für Spionage Verantwortlichen einleiten. "Die Abhöreinrichtungen in der US-Botschaft sowie in weiteren US-Institutionen in Deutschland sind sofort zu demontieren."
Linken-Außenpolitiker Liebich: Wagenknecht hätte sorgfältiger formulieren müssen
Vor allem aber müsse es Konsequenzen für die militärische Zusammenarbeit geben, schrieb Wagenknecht. US-Einrichtungen wie die Militärbasis Ramstein und die US-Militärhauptquartiere in Stuttgart und Wiesbaden müssten geschlossen werden. Wagenknecht forderte den Generalbundesanwalt auf, auch zu ermitteln, ob von diesen Einrichtungen Drohneneinsätze zur gezielten Tötung von Menschen unterstützt worden seien. "Die Bundesregierung muss gewährleisten, dass US-Einrichtungen nicht für Folterflüge der CIA genutzt werden. "Die taktischen US-Atomwaffen auf dem Stützpunkt Büchel sind sofort abzuziehen, eine Duldung der Lagerung durch Deutschland verletzt den Atomwaffensperrvertrag."
Wagenknecht argumentierte, die UN-Charta sehe die Souveranität und die Gleichheit der Staaten vor dem Völkerrecht vor. "Dies muss auch für die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland gelten." Spätestens mit den 2-plus-vier-Vertrag und der deutschen Einheit seien alliierte Vorbehaltsrechte hinfällig. "Es ist Zeit, die ,transatlantische Partnerschaft' neu zu begründen. Eine Kanzlerin, die auch jetzt noch das business as usual fortsetzen möchte, verrät die Freiheit und verletzt ihren Amtseid: die Interessen der Bevölkerung zu schützen."
Der Linken-Außenpolitiker Stefan Liebich widersprach Wagenknecht. Die USA seien kein Regime der Angst, sagte er dem Tagesspiegel. "Diese Formulierung ist zu stark verkürzt." Zwar habe Wagenknecht "auch richtige Dinge" festgehalten. "Sie hätte jedoch bei diesem Thema sorgfältiger in ihrer Wortwahl sein müssen.". In den USA und auch im US-Kongress werde durchaus kontrovers über die NSA-Affäre diskutiert, erklärte Liebich, einer der Sprecher des Reformerflügels in der Linkspartei.
Matthias Meisner