Polizist in Leipzig lebensgefährlich verletzt: Sächsischer Verfassungsschutz warnt vor Radikalisierung
Die Krawalle in der Silvesternacht haben Leipzig schwer erschüttert. Der Verfassungsschutz sieht „eine wachsende Gewaltbereitschaft“ in der linksextremen Szene.
Nachdem in der Silvesternacht im Leipziger Stadtteil Connewitz Linksextremisten randalierten und dabei ein Polizist lebensgefährlich verletzt wurde, warnt der sächsische Verfassungsschutz vor einer weiteren Radikalisierung. Es gebe in Teilen der Leipziger Autonomenszene „eine wachsende Gewaltbereitschaft“, sagte der Sprecher des Nachrichtendienstes, Martin Döring, am Donnerstag dem Tagesspiegel.
Linksextremisten haben 2019 in der Stadt schwere Gewalttaten verübt, dabei wurden auch gezielt Menschen attackiert. Und nicht nur wegen des fast schon rituellen Silvesterkrawalls zeichnet sich ab, dass das Jahr 2020 für Leipzig ebenfalls unruhig verläuft.
Am 29. Januar verhandelt das in der Stadt ansässige Bundesverwaltungsgericht über das 2017 vom damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verfügte Verbot der Internetplattform „linksunten.indymedia.org“. Das Ende ihres Sprachrohrs ist in der militanten linken Szene ein hochemotionales Thema.
Im Fall des in der Silvesternacht attackierten Polizisten werde wegen des Verdachts auf versuchten Mord ermittelt, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig, Ricardo Schulz. Der oder die Täter hatten dem 38 Jahre alten Beamten bei den Krawallen in Connewitz den Helm vom Kopf gerissen. Der Polizist wurde dann getreten und geschlagen. „Es gab Gewalteinwirkung auf den ungeschützten Kopf“, sagte der Sprecher des Landeskriminalamts, Tom Bernhardt.
Connewitz gilt als Hochburg der militanten Linken
Der Beamte verlor das Bewusstsein und musste notoperiert werden. „Der Kollege ist außerhalb der Lebensgefahr“, sagte Bernhardt, „er konnte befragt werden, hat aber schwere Aussetzer in der Erinnerung“. Bei der Polizeidirektion Leipzig hieß es, der Beamte und weitere Kollegen seien von anderen Einheiten aus dem Krawall herausgeholt worden.
Der 38-Jährige hatte mit zwei Kollegen versucht, Randalierer festzunehmen. Den beiden weiteren Beamten wurden ebenfalls die Helme entrissen, dann gab es Schläge und Tritte. Auch diese Polizisten mussten ärztlich behandelt werden.
Leipzig und vor allem das Szeneviertel Connewitz gelten schon lange als Hochburg der militanten Linken. Die Stadt habe sich seit 2014 neben Berlin und Hamburg „zu einem Schwerpunkt linksextremistischer Gewalt in Deutschland“ entwickelt, schrieb das Bundesamt für Verfassungsschutz Ende 2018 in einer Analyse.
Sachsens Innenminister Roland Wöller spricht von 250 Autonomen in Leipzig, das ist mehr als die Hälfte des gesamten Spektrums im Freistaat. Die Zahl mag klein erscheinen, doch die Militanten können offenbar auf ein größeres Umfeld von Sympathisanten zählen. „Anders als die meisten autonomen Zusammenhänge in Deutschland ist die Leipziger Szene in ein festes Netz alternativer Strukturen eingebettet“, steht im Papier des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Im November wurde eine Prokuristin einer Immobilienfirma attackiert
Die Polizei stellte 2019 in Leipzig eine deutliche Zunahme linksextremer Straftaten gegenüber 2018 fest, um mehr als 50 Prozent auf 357 Delikte. Und die Sorgen der Sicherheitsbehörden werden noch größer, da ein Teil der Szene in Richtung Terror abzudriften scheint.
Am 3. November drangen zwei vermummte Täter im Leipziger Stadtteil Wahren in die Wohnung der Prokuristin einer Immobilienfirma ein. Die Angreifer versetzten der Frau mehrere Faustschläge ins Gesicht. Das Unternehmen baut in Connewitz im Rahmen des Projekts „Südcarré“ Eigentumswohnungen.
Zu der Tat bekannte sich im Internet eine „Kiezmiliz“. Projekte wie das Südcarré „stellen eine Bedrohung für Connewitz als politischen Raum dar“, hieß es. Die Verantwortliche sei getroffen worden, „wo es ihr auch wirklich wehtut: in ihrem Gesicht“. Sicherheitskreise befürchten, der Überfall sei die Vorstufe zu Anschlägen auf Menschen nach dem Muster der Morde der Roten Armee Fraktion.
Der Angriff wurde allerdings in der Szene kontrovers diskutiert. Das Internetportal „de.indymedia.org“, das bundesweit in der Tradition des verbotenen „indymedia.linksunten“ agitiert, löschte das Bekennerschreiben der „Kiezmiliz“. Doch die Tendenz zu potenziell tödlicher Gewalt zeigte sich wieder Silvester.
„Soko LinX“ befasst sich mit linksextremer Kriminalität
Den Angriff auf den 38-jährigen Polizisten, vor allem das Wegreißen des Helms und die Tritte gegen den Kopf, werten Sicherheitskreise als Beleg für fortschreitende Enthemmung in Teilen der Szene.
Als Reaktion auf die Attacke gegen die Prokuristin und die nicht abreißende Serie von Brandanschlägen der Leipziger Autonomen installierte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) Anfang Dezember beim Landeskriminalamt eine „Soko LinX“.
Dort befassen sich jetzt 20 Beamte mit linksextremer Kriminalität in Leipzig und im Freistaat insgesamt. Die Soko hat viel Arbeit, es dürfte aber noch mehr werden. Die militante Kampagne der Leipziger Linksextremisten zielt auch auf die Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts am 29. Januar zum Verbot von „indymedia.linksunten“.
Vergangenen Sonntag brannten im Stadtteil Leutzsch auf einem Polizeiareal drei Dienstfahrzeuge und ein Stromkasten an einem Funkmast. Der Anschlag gelte „den Repressionsorganen, die linksunten verboten haben, also den Bullen und ihren Chefs in den Innenministerien“, verkündeten die Täter anonym im Internet.