Nach der Landtagswahl: Sachsens Spitzen-Grüne Antje Hermenau zieht sich zurück
Antje Hermenau, die Spitzenkandidatin der sächsischen Grünen, tritt nach dem mageren Wahlergebnis nicht mehr für den Fraktionsvorsitz an. Die Befürworterin von Schwarz-Grün hat offenbar keinen Rückhalt mehr in der Partei.
Die Grünen in Sachsen werden wohl in der Opposition bleiben. Zwar ist die Entscheidung der Spitzenkandidatin Antje Hermenau, nicht wieder für den Fraktionsvorsitz anzutreten, für sich genommen noch kein Signal gegen Schwarz-Grün. Denn Hermenau wollte gar nicht Fraktionschefin bleiben, sie strebte in die Regierung, hatte sich ausgemalt, Ministerin in einem schwarz-grünen Kabinett zu werden, wenn die Verhandlungen mit der CDU von Ministerpräsident Stanislaw Tillich zu einem akzeptablen Koalitionsvertrag geführt hätten.
Doch das Wahlergebnis von 5,7 Prozent am vorigen Sonntag war schlechter als erwartet und wurde von den Gegnern Hermenaus und den Schwarz-Grün-Skeptikern in der Partei schnell als Auftrag für die weitere Opposition gedeutet. Einer der führenden Gegner von Hermenaus Linie, der frühere Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi, kommentierte die Ankündigung fast wie einen Sieg: „Nach Hermenaus Rücktritt gibt es keinen prominenten Befürworter von Schwarz-Grün mehr“, twitterte er. Und der eher links stehende Dresdner Stadtverband der Grünen sprach sich dafür aus, erst gar keine Sondierungen mit der CDU zu führen.
Energische Spitzenfrau
Hermenau, die sich als energische Haushalts- und Finanzpolitikerin im Bundestag einen Namen gemacht hatte, bevor sie 2004 die Grünen wieder in den sächsischen Landtag führte, sagte, die Entscheidung gegen den Fraktionsvorsitz sei bei ihr schon vor einem Jahr gefallen. Zudem hatte sie auf dem Listenparteitag im März angekündigt, nach dem Wahltag wieder „zurück ins Glied“ zu treten. Schon damals hatte es für Hermenau nicht ganz gut ausgesehen: Sie bekam als erste Spitzenkandidatin nur 61,8 Prozent der Delegiertenstimmen, der zweite Spitzenkandidat Volkmar Zschocke, eher vom linken Flügel und kein Freund von Schwarz-Grün, erhielt dagegen 87,7 Prozent. Hermenau hatte zwar versucht, die Partei auf Schwarz-Grün vorzubereiten, doch konnte sie offenbar nicht alle überzeugen.
"Diskussion um meine Kandidatur"
Am Donnerstag begründete sie ihren Rückzug vom Fraktionsvorsitz mit der „Diskussion um meine Kandidatur“. In ihr sei der Gedanke gereift, dass sie „nicht mehr die richtige Person für den Vorsitz der Fraktion“ sei, den sie seit zehn Jahren innehatte. Die Fraktion bestehe in ihrer Mehrzahl aus neuen Abgeordneten, diese „müssen ihre eigenen Wege gehen“ – ein Zeichen, dass Hermenau die Mehrheit der Fraktionskollegen (insgesamt sind es acht) nicht hinter sich fühlte.
Schnelle Distanzierung
Schon am Montag hatte die Parteichefin Claudia Maicher gesagt, das Ergebnis ihrer Partei laufe nicht auf einen Regierungsauftrag hinaus. Die „Liebesheirat zwischen CDU und SPD“ habe sich schon vor der Wahl abgezeichnet. Nach Maichers Ansicht sind die inhaltlichen Differenzen zwischen Union und Grünen zu groß. Der Ausstieg aus der Braunkohle vor allem wird von den Grünen als Knackpunkt genannt. Am Mittwoch trafen sich die Parteichefs Maicher und Zschocke mit der CDU zu einem ersten Vorgespräch, aber ob es zu Sondierungen kommt, soll der Parteirat an diesem Samstag klären. Hermenau plädiert weiter dafür, mit der CDU zu reden.
Verwunderung bei der CDU
In der sächsischen Union registriert man die Bewegungen bei den Grünen mit einer Mischung aus Überraschung, Ärger und Unverständnis. „Ein Gesprächsangebot einfach abzulehnen, das geht eigentlich nicht“, heißt es in Dresden. Und Tillich sei ja kein Dogmatiker. Der sächsische Ministerpräsident hatte vor der Wahl keine Präferenz zu erkennen gegeben und gesagt, er wolle mit FDP (die nun aber ausgeschieden ist), Grünen und SPD reden. Intern hatte er durchaus Sympathie für Schwarz-Grün zu erkennen gegeben, zumal er glaubte, mit Hermenau eine verlässliche Koalitionspartnerin zu bekommen. Gerade in der Haushalts- und Schuldenpolitik sind sie auf einer Linie. Mit dem SPD-Spitzenkandidaten Martin Dulig tut sich Tillich offenbar etwas schwerer, menschlich wie sachlich. Dulig hat seine Sozialdemokraten nun entschlossen auf Koalitionskurs gebracht und steht für Sondierungen bereit. Nach dem Rückzieher der Grünen hätte es die SPD einfacher, weil die CDU dann nur noch eine Koalitionsoption hat – die AfD hat Tillich am Wahlabend als Partnerin ausgeschlossen.
Rückschlag für Schwarz-Grün-Anhänger
Hermenaus Rückzug ist auch bundesweit ein Rückschlag für jene, die die Grünen stärker für Koalitionen mit der Union öffnen wollen. Die sächsische Spitzen-Grüne hatte mit einer weiteren Landeskoalition auch die Position der Partei über den Bundesrat stärken wollen. So hatte sich auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor der Sachsen-Wahl geäußert. Hermenaus Verhältnis zur eigenen Partei war nicht immer ganz spannungsfrei. Wie es heißt, stand sie vor einigen Jahren schon einmal knapp davor, ihre Spitzenpositionen aufzugeben.