Gesetz gegen "Homo"-Propaganda: Russlands Duma stimmt für Anti-Homosexuellen-Gesetz
„Propaganda“ für gleichgeschlechtliche Lebensformen soll verboten werden, um Kinder zu schützen, sagen die Initiatoren. Damit dürfte es für Schwulen- und Lesbenorganisationen ziemlich unmöglich werden, zum Christopher-Street-Day in absehbarer Zeit wieder einmal eine Parade zu veranstalten.
Das russische Parlament will die Diskriminierung von Homosexuellen zur offiziellen Politik erheben. In erster Lesung hat die Duma am Freitag ein Gesetz zum Verbot von „Homosexuellen- Propaganda“ angenommen. Sollte das Gesetz auch die zwei weiteren Lesungen überstehen, dürfte es in Russland in absehbarer Zukunft keine Parade mehr zum Christopher-Street-Day mehr geben. Die Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Familienpolitik, Frauen- und Kinder, Jelena Misulina, erwartet, dass das Gesetz spätestens im Juli „durch“ sein wird.
Damit soll „Propaganda“ für gleichgeschlechtliche Beziehungen landesweit verboten werden; bei Übertretungen drohen drakonische Strafen. In mehreren Regionen Russlands, darunter St. Petersburg, gelten derartige Verordnungen bereits. Sie werfen sogar Homosexualität und Pädophilie in einen Topf. Begründung: Kinder und Heranwachsende müssten vor „abnormalen sexuellen Praktiken“ effektiv geschützt werden.
Misulina, die Autorin des umstrittenen Gesetzentwurfs, saß Mitte der Neunziger für die sozialliberale Jabloko-Partei im Senat, die sich zu Toleranz und anderen westlichen Werten bekennt. Dann wechselte sie zur Partei „Einiges Russland“– die Mehrheitsbeschafferin von Präsident Wladimir Putin in der Duma. Intellektuelle geißeln das Gesetz als Rückfall ins finstere Mittelalter. Witali Milonow, Stadtverordneter in St. Petersburg, berief sich ausdrücklich auf den Apostel Paulus, als er dem Stadtparlament Anfang des vergangenen Jahres den Entwurf seines „Anti-Homo-Gesetzes“ vorlegte. Paulus habe Homosexualität schon vor knapp 2000 Jahren als „Unzucht“ und „widernatürlich“ verdammt. Und die Meinung des Evangelisten habe für ihn größeres Gewicht als die eines Beamten.
Damit meint Milonow Experten aus dem Gesundheitsministerium. Nach deren Gutachten aus dem Jahr 1999 darf gleichgeschlechtliche Liebe nicht länger als Krankheit und Abweichung von der Norm stigmatisiert werden. Der sowjetische Schwulen-Paragraf, der Homosexualität mit mehrjähriger Lagerhaft und Zwangseinweisung in die Psychiatrie ahndete, verschwand daraufhin aus dem russischen Strafgesetzbuch. Und das können auch Misulina und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer nun nicht mehr rückgängig machen. Der Gesetzgeber, sagte Musulina der Nachrichtenagentur Ria Nowosti, könne lediglich „die Propaganda und die Verbreitung homosexueller Praktiken unter Kindern verbieten“ und Strafen für einschlägige sexuelle Kontakte mit Kindern bis zu 18 Jahren verhängen. Beides sei durch die auch von Russland ratifizierte Konvention zum Schutz der Kinder sowie eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gedeckt. In die Sphäre sexueller Kontakte Erwachsener dürfe man jedoch nicht eindringen – und wolle es auch nicht.
Lesben und Schwulen sollen vor der Endfassung des Gesetzes angehört werden. Ihre Vereinigungen aber auch Bürgerrechtler und Intellektuelle liefen schon Sturm gegen das Vorhaben kaum, dass die Regionalparlamente sich damit befassten. Ihre Begründung: russische Kinder seien durch andere Gesetze bereits umfassend geschützt. Anstoß erregt vor allem, dass lesbische und schwule Lebensformen Minderjährigen gegenüber offiziell als „minderwertig“ und „verzerrte Weltsicht“ dargestellt werden. Das gilt auch für Bisexuelle und Transgender, also Menschen, die ihr Geschlecht wechseln. Kritiker fürchten zudem, das neue Gesetz werde Prävention vor dem HI-Virus, das Aids auslösen kann, und andere Arten der Aufklärung kriminalisieren.
Die Ängste sind berechtigt. Unter dem Druck der Russisch-Orthodoxen Kirche – sie vor allem drängte auf Tempo und Strenge beim Schwulen-Gesetz – mussten staatliche Schulen das probeweise eingeführte Fach Sexualkunde wieder streichen, obwohl nach Meinung von Experten akuter Bedarf besteht. Russische Eltern tun sich schwer damit, ihren Nachwuchs aufzuklären. Die Folge: Russland gehört zu den Staaten mit der weltweit höchsten Abtreibungsquote.
Was, fragte am Tag der ersten Lesung des Schwulen-Gesetzes rein rhetorisch das Massenblatt „Moskowski Komsomolez“, hat der Staat in unsren Betten zu suchen?“ Wenn Kreml-Partei und Duma sich nicht von den „Schlüssellochguckern“ distanzierten, sei der soziale Frieden bedroht. Wohl wahr. Einen Vorgeschmack darauf lieferten Ende Dezember handgreifliche Auseinandersetzungen vor dem Parlamentsgebäude. Auf Flashmobs und Kiss-in-Aktionen von Schwulen und Lesben reagierten orthodoxe Fundamentalisten, die ihre religiösen Gefühle „besudelt“ sahen, mit Pöbeleien, Fußtritten und Fausthieben.
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