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Der polnische Regierungschef Donald Tusk - hier bei einem Treffen mit Piloten aus den USA und Polen im zentralpolnischen Lask - erwartet von der Nato eine stärkere militärische Präsenz.
© dpa

Konflikt in der Ukraine: Russland weckt Polens alte Ängste

In Polen wächst angesichts der Vorgänge in der Ukraine die tief in der Geschichte wurzelnde Sorge vor einer Invasion. Wie wirkt sich das in dem EU-Staat konkret aus?

Die gewünschten 10 000 Nato-Soldaten wird Polen in den nächsten Tagen nicht bekommen. Doch die Freude in Warschau über Anders Fogh Rasmussens Ankündigung einer verstärkten Truppenpräsenz ist groß. Denn Polens Lobbyarbeit im Brüsseler Hauptquartier seit der russischen Annexion der Krim hat erste Früchte getragen. Im jahrhundertelang teilweise von Russland besetzten Polen sind die Invasionsängste besonders groß. Zudem versucht Warschau natürlich auch, aus der Ukraine-Krise politisches Kapital zu schlagen.

Rasmussen hatte keine genauen Angaben gemacht, wo die Nato-Truppen verstärkt werden sollen. Polen wurde explizit nicht erwähnt, doch Rasmussen verwies auf eine gebotene Geheimhaltung. Als praktisch ausgemacht gilt dagegen eine Verlängerung der Mission von zwölf amerikanischen F-16-Jets unweit der Hauptstadt Warschau.

Polen fühlt sich durch Russland bedroht

Doch Polen will eine viel stärkere Truppenpräsenz. Ende März forderte Außenminister Radoslaw Sikorski deshalb die Verlegung von zwei Nato- Bataillonen (bis zu 10 000 Mann) in sein Land. „Wir wollen uns nicht bloß auf einen Paragrafen in einem Vertrag verlassen“, sagte Polens Regierungschef Donald Tusk. Polen hatte bereits Anfang März einen dringlichen Nato-Rat zusammengerufen. Warschau verwies auf Artikel 4 des Washingtoner Nato-Vertrags und machte eine Bedrohung der Sicherheit durch Russland geltend.

Hintergrund ist, dass in Polen kaum ein Politiker ernsthaft daran zweifelt, dass es sich bei den „grünen Männchen“ in der Ukraine de facto um russische Soldaten handelt. In diesem Zusammenhang bekommt eine These des bei Smolensk abgestürzten Staatspräsidenten Lech Kaczynski neue Aktualität. Dieser war im Sommer 2008 auf dem Höhepunkt des russischen Vormarsches in Georgien mit seinem baltischen Amtskollegen sowie dem damaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko aus Solidarität nach Tibilissi geflogen und hatte dort erklärt, nach Georgien könnte Russland auch die Ukraine und darauf Polen angreifen.

25 Milliarden Euro für eine modernere Armee

Die Angst vor einer russischen Invasion hat in Polen die Akzeptanz für ein weitreichendes Rüstungsprogramm bis 2022 erhöht. In den nächsten acht Jahren sollen 25 Milliarden Euro in die Modernisierung der Armee gesteckt werden. Vor allem die veraltete Luft- und Raketenabwehr soll aufgerüstet werden. Schon heute gibt Polen 1,95 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung aus, mehr als Deutschland (1,3 Prozent), aber deutlich weniger als Russland (4,4 Prozent).

Durch die Ukraine-Krise kommt auch wieder Bewegung in die Debatte um die Euro-Einführung. Tusk hat mehrfach für den bisher unpopulären Beitritt zur Gemeinschaftswährung plädiert. Dies wäre „strategisch gesehen eine weitere Möglichkeit, Polen in der Gruppe der wichtigsten westlichen Staaten zu verankern und unsere Sicherheit zu verbessern“, sagte er am Mittwoch dem Nachrichtenmagazin „Polityka“.

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