Ukraine strebt in die Nato: Russland sieht seine Sicherheit gefährdet
Das ukrainische Parlament hat für eine Aufhebung der Blockfreiheit und für einen Nato-Beitritt gestimmt. Ob es dazu kommt, ist aber fraglich. Russland reagiert verärgert. Kiew und die Separatisten verhandeln trotz ständiger Gefechte wieder miteinander.
Einen Tag vor der geplanten Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit den prorussischen Aufständischen hat die Ukraine mit einer klaren Hinwendung zur Nato neue Spannungen ausgelöst. Das Parlament in Kiew votierte am Dienstag mit großer Mehrheit dafür, den Status der Ukraine als blockfreies Land aufzugeben. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach von einem „absolut kontraproduktiven Schritt“, der dazu beitrage, „das Klima der Konfrontation weiter anzuheizen“. Das Parlamentsvotum hat vornehmlich symbolische Bedeutung, da eine Mehrheit der Nato-Staaten einen Beitritt der Ukraine zu dem Militärbündnis ablehnt.
Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew schrieb am Montag auf seiner Facebook-Seite, eine Aufgabe des Blockfreien-Status sei de facto ein Aufnahmeantrag bei der Nato und mache die Ukraine „zu einem potenziellen militärischen Gegner Russlands“. Sein Land sei in diesem Fall gezwungen zu reagieren.
Die Nato bietet der Ukraine weiter eine Beitrittsperspektive. „Wie auf dem Nato-Gipfel 2008 in Bukarest beschlossen, steht unsere Tür offen“, hieß es in Nato-Kreisen am Dienstag in Brüssel. „Die Ukraine wird ein Mitglied der Nato werden, falls sie darum bittet, die Standards erfüllt und sich an die notwendigen Prinzipien hält.“
Die neuen Spannungen belasten die Friedensgespräche
Die neuen Spannungen dürften die Friedensgespräche belasten, die die ukrainische Regierung und die Aufständischen im Osten des Landes am Mittwoch in der weißrussischen Hauptstadt Minsk wieder aufnehmen wollten. / Nach tagelanger Telefondiplomatie zwischen Kiew, Moskau, Paris und Berlin ist es offenbar endlich gelungen, ein neues Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe unter Leitung der OSZE zu organisieren. An Heiligabend wollen sich die Konfliktparteien erneut in Minsk treffen, um über einen dauerhaften Friedensplan für die Ostukraine zu diskutieren.
Vor allem die Bundesregierung wollte dieses Treffen. Kanzlerin Merkel – obwohl seit Samstag offiziell im Weihnachtsurlaub – hat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko telefoniert. Auch Frankreichs Präsident Francois Hollande versuchte wiederholt, die Konfliktparteien zu überzeugen, die Gespräche wieder aufzunehmen.
Ob es am 24. Dezember tatsächlich zu Friedensgesprächen kommt, ist dennoch fraglich. Der Anführer der „Volksrepublik Donezk“, Alexander Sachartschenko, sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax am Dienstagmittag: „Ich habe keine Informationen darüber, dass am 24. und 26. Dezember Gespräche in Minsk abgehalten werden.“ Er ließ es offen, ob er zu den Verhandlungen anreisen werde. Sachartschenko übte Kritik an dem ukrainischen Vertreter, dem Ex-Präsidenten Leonid Kutschma. Dieser habe keine offizielle Funktion. Ebenfalls kritisiert wurde der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko, der am Wochenende Kiew besucht hatte. „Dieser Besuch war ein persönlicher Wunsch Lukaschenkos, wir haben ihn nicht geschickt“, sagte Sachartschenko.
Die Separatisten verhindern seit Wochen ein neues Treffen der trilateralen Kontaktgruppe unter Führung von OSZE-Sonderbotschafterin Heidi Tagliavini. Alexander Sachartschenko und sein Amtskollege von der „Volksrepublik Lugansk“, Igor Plotnizki, wollen eine Autonomie der von ihnen kontrollierten Gebiete in der Ostukraine. Das Protokoll von Minsk sieht dagegen eine Dezentralisierung der Regionen vor. Russland sprach lange von der Bildung eines Territoriums namens „Noworossija“. Zuletzt hat die Moskauer Führung verbal abgerüstet und spricht nur von der Einführung föderaler Strukturen in der Ostukraine. In Kiew will man sich darauf nicht einlassen. „Wir pochen auf die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom September dieses Jahres“, sagte der frühere ukrainische Außenminister Boris Tarasjuk. (mit AFP/dpa)