zum Hauptinhalt
Der ukrainische Außenminister Leonid Koschara und Oppositionsführer Vitali Klitschko am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
© AFP

Münchner Sicherheitskonferenz: Russland: EU heizt Spannungen an

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab es am Samstag große Spannungen. Die Opposition um Vitali Klitschko fürchtet eine Eskalation der Gewalt. Der russische Außenminister Lawrow warf der EU vor, sie heize die Situation unnötig an.

Ukrainische Oppositionsführer und westliche Spitzenpolitiker befürchten, dass die Lage in Kiew außer Kontrolle gerät, die Gewalt eskaliert und das Militär einen Vorwand sucht, um den Ausnahmezustand zu verhängen. Ex-Außenminister Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei nannte am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz einen Armeeeinsatz gegen die proeuropäischen Proteste „sehr wahrscheinlich“. Das Thema war Anlass für eine scharfe Kontroverse mit Russland. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der EU vor, sie stifte Unruhe und heize die Spannungen an.

Auch die mit Spannung erwartete Gesprächsrunde mit dem ukrainischen Außenminister Leonid Koschara und Oppositionsführer Vitali Klitschko am Abend brachte keine Annäherung. Koschara stellte es – wie zuvor Lawrow – so dar, als gehe die Gewalt von den Demonstranten gegen den russlandtreuen Präsidenten Janukowitsch aus. Er verlangte, Klitschko solle die Besetzung von Regierungsgebäuden verurteilen und sich von „Terroristen“, die Gewalt anwenden, distanzieren. Die Opposition müsse die Verantwortung für die Lage mit der Regierung teilen.

Klitschko forderte dagegen vorzeitige Neuwahlen des Präsidenten und des Parlaments unter internationaler Kontrolle sowie die Freilassung aller Gefangenen, die Rückkehr zur Verfassung von 2004, die dem Präsidenten weniger Vollmachten gibt, und die Reform der Wahlgesetze. Die Bürger der Ukraine „sehen unter diesem System keine Perspektive“ für eine bessere Zukunft. Klitschko erhielt minutenlangen Beifall der Konferenzteilnehmer. Er verteilte Broschüren mit Fotos misshandelter Demonstranten im Saal.

US-Außenminister John Kerry und Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderten Russland auf, zu respektieren, dass jedes Land die freie Wahl habe, ob es sich der EU anschließen wolle – „ohne Druck von außen“, betonte Rasmussen. Kerry versicherte: „Die USA und die EU stehen mit dem ukrainischen Volk in diesem Kampf.“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sagte dem Tagesspiegel, es herrsche ein „weitgehender Kontrollverlust“ in dem Land. Neuwahlen seien der einzige Ausweg aus der verfahrenen Situation. Ohne einen Neustart mit neuer Legitimation in Wahlen werde es keine Befriedung geben. Nur wenn klar sei, dass Präsident Janukowitsch gehe, könne es Fortschritte geben. Röttgen hatte sich am Samstagvormittag mit dem ukrainischen Außenminister Leonid Koschara getroffen und sagte danach, die EU solle die Ukraine nicht vor die Wahl stellen, sich entweder für die EU oder für Russland zu entscheiden. Die Ukraine liege in Europa, „eine Partnerschaft mit der EU heißt aber nicht, dass Russland herausgedrängt wird“.

Am Nachmittag hatte Klitschko seine Landsleute bei einer Demonstration in München, einem Zentrum der ukrainischen Emigration, aufgerufen, weiterzukämpfen. „Ohne Kampf gibt es keinen Sieg.“ Unter den Demonstranten erhitzte der Fall des gefolterten Oppositionellen Dmitri Bulatow die Gemüter. Nach seinen Worten hatten ihn Unbekannte entführt, schwer misshandelt, ein Ohr abgeschnitten, ihm Schnittwunden im Gesicht und schwere innere Verletzungen zugefügt und dann in einem Wald liegen lassen. Er habe nur überlebt, weil er sich in ein Dorf schleppen konnte. Als er nun wieder in Kiew auftauchte, wollten ihn Sicherheitskräfte wegen „Anzettelung von Unruhen“ verhaften. Auf Intervention von Bundesaußenminister Steinmeier soll er am Sonntag ausreisen dürfen. Nahezu täglich werden Fälle bekannt, dass Oppositionelle von Schlägerbanden misshandelt werden.

Zur Startseite