US-Thinktank-Chef Dubowitz: "Ruhani ist nicht moderat"
Mark Dubowitz über die Logik hinter Trumps Gesprächsangebot an den Iran und weitere Sanktionsdrohungen. "Sie haben Angst vor Trump. Vor Obama hatten sie keine." Ein Interview.
Herr Dubowitz, US-Präsident Donald Trump hat dem iranischen Staatschef Hassan Ruhani gerade das Angebot gemacht, ihn zu treffen, „jederzeit“ und auch „ohne Vorbedingungen“. Ist das sinnvoll, eine Woche nach der verschärften Rhetorik zwischen beiden Ländern?
Es ist ein gut getimtes Angebot, da die Führer der Islamischen Republik gerade zusehen müssen, wie ihre Währung zusammenbricht, das Volk auf der Straße protestiert und seinen Diktatoren den Tod wünscht. Trump sagt: Wenn ihr wollte, dass die Schmerzen aufhören, trefft mich in Wien. Wenn nicht, werden die Schmerzen nur noch schlimmer werden.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Iraner gerade jetzt zu Verhandlungen bereit sind?
Es kann sein, dass die Iraner Trump auszusitzen wollen, also darauf hoffen, dass er nur eine Amtszeit regieren wird, und dass sie so lange versuchen zu überleben. Aber spätestens im kommenden Jahr, nach der nächsten Sanktionsrunde im November, wird der Druck so groß werden, dass das mit dem Aussitzen schwierig werden wird. Es droht eine Hyperinflation, ein Zusammenbruch der Währung, eine schwere Rezession. Das Regime wird wählen müssen: zwischen Verhandlungen und der Möglichkeit einer schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise, die zu seinem Zusammenbruch führen könnte.
Am kommenden Montag treten neue US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Was ist ihr Ziel?
Sanktionen sind immer eine Antwort auf bösartiges Verhalten. Das iranische Regime verhält sich seit Jahren bösartig. Es unterstützt weltweit agierende Terrororganisationen, verletzt die Menschenrechte im eigenen Land, unterstützt den Terror von Baschar al Assad in Syrien, die Huthis im Jemen, Hisbollah im gesamten Nahen Osten, Europa, Afrika sowie Nord- und Südamerika, und nicht zuletzt Hamas im Gaza-Streifen. Es strebt den Besitz von Atomwaffen an und von Raketen, um diese zu transportieren. Es befeuert Kriege im Nahen Osten, die zu Millionen Flüchtlingen führen, die nach Deutschland und andere europäische Staaten drängen. Daher soll durch die neuen Sanktionen noch stärkerer finanzieller und wirtschaftlicher Druck auf die Machthaber in Teheran ausgeübt werden, um dieses bösartige Verhalten zu beenden.
Wie erfolgreich waren denn die bisherigen Sanktionen?
Der Iran ist durch die Sanktionen bereits immens unter Druck geraten. Seine Währung ist zusammengebrochen und hat 68 Prozent an Wert verloren, seit Trump 2017 ins Amt kam. Die Inflation liegt Schätzungen zufolge bei mehr als 200 Prozent. Trumps Sanktionen im August und November werden das noch verstärken. Als Reaktion darauf demonstrieren Hunderttausende Iraner im ganzen Land gegen ihre Regierung. Sie wollen ein Ende der Korruption, der Aggression, der Unterdrückung, sie wollen, dass sich wirklich etwas ändert und glauben, dass wirklicher Wandel nur kommt, wenn sich das Regime radikal wandelt.
Und Sie glauben, dass ein Wandel realistisch ist?
Schauen Sie, was mit der Sowjetunion in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts passiert ist. Der Westen hat großen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Druck auf die Sowjets ausgeübt, angeführt von der Regierung von US-Präsident Ronald Reagan, und das hat schließlich zum Wandel geführt. Die Trump-Regierung hält die Bedrohung durch den Iran für ähnlich groß wie die Reagan-Regierung die durch die Sowjets.
Doch dieses Mal üben die USA alleine den Druck aus, die Europäer wollen an dem Atomabkommen festhalten.
Ja, aber die USA sind entschlossen und stark genug, das alleine durchzuziehen. Das Ziel ist ein besserer Iran. Die Europäer waren erst wütend, dann resigniert, und jetzt arrangieren sie sich damit, dass das amerikanische Vorgehen unausweichlich und effektiv ist.
Schwächen die Vereinigten Staaten mit ihrem harten Vorgehen das Regime – oder schwächen sie nur die Moderaten innerhalb des Regimes rund um Präsident Ruhani und stärken am Ende die Hardliner?
Präsident Ruhani ist nicht moderat, und die US-Regierung sieht ihn auch nicht als einen möglichen Reformer. Ruhani ist eine Kreatur dieses Regimes, und das seit Jahrzehnten. Zusammen mit Außenminister Dschawad Sarif spielt er das freundliche Gesicht eines kriminellen Regimes, ist aber selbst ein Teil davon. In der iranischen Regierung gibt es nur Hardliner. Das ist vielen Iranern bewusst und ganz sicher der Trump-Regierung, auch wenn manche im Westen sich selbst täuschen, indem sie glauben, dass es da gemäßigte islamische Revolutionäre gibt.
Strebt Washington einen Regimewechsel im Iran an?
Millionen Iraner wollen einen Regimewechsel. Aber das Ziel der amerikanischen Politik ist es, großen Druck auszuüben, der das Regime in Teheran dazu bringt, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um sein Verhalten zu ändern. Bis dahin wird der Druck verstärkt. Die Iraner haben 2013 verhandelt. Ich rechne damit, dass sie es wieder tun.
Glauben Sie wirklich, dass das auf diesem Weg passiert?
Der Iran reagiert schon immer auf das Verhalten der USA, und zwar auf Stärke genauso wie auf Schwäche. Umso glaubwürdiger Präsident Trumps Drohung ist, notfalls alle Mittel der amerikanischen Macht anzuwenden, auch militärische, umso eher kehren die Machthaber in Teheran zurück an den Verhandlungstisch. Und sie werden letztlich zurückkehren.
Wenn Trump mit militärischen Mitteln droht, steigt die Gefahr einer militärischen Eskalation. Müssen wir uns auf einen neuen Krieg im Nahen Osten einstellen?
Die Kriegsgefahr ist seit Trumps Amtsantritt kleiner geworden. Denn die Iraner sehen, dass er es ernst meint. Die militärische Drohung ist viel glaubwürdiger als unter Barack Obama. Sie befürchten, dass Trump Gewalt anwenden wird, und das macht sie vorsichtiger.
Gibt es dafür Belege?
Seit Trump seine Rhetorik im Februar 2017 verschärft hat, beobachten wir kaum noch Raketentests auf Seiten der Iraner. Seit Juli 2017 gab es keinen einzigen Test. Und sie schikanieren auch die U.S.-Navy im Persischen Golf deutlich weniger: 2015 und 2016 gab es 58 Vorfälle, in diesem Jahr bisher keinen einzigen. Sie haben Angst vor Trump. Vor Obama hatten sie keine. Diese Verhaltensveränderungen sind kein Zufall.
Mark Dubowitz leitet den US-Thinktank „Foundation for Defense of Democracies“ (FDD) in Washington. Das FDD hat sich vehement für ein Ende des Atomabkommens eingesetzt. Die Fragen stellte Juliane Schäuble.